MÜNCHNER  SPAZIERGÄNGE

STAND: JANUAR 2024


VOM POSCHINGER WEIHER ZUR AUENSIEDLUNG


18. JANUAR 2021:  Ein eiskalter, grauer Wintertag. Leichter Schneefall. Es zieht mich weg von den ver­mut­lich stark besuchten  innen­städtischen Grün­flächen – ei­gent­lich könnte  ich heute „Weiß­flä­chen“ sa­gen – in die Gegend zwischen Un­ter­föh­ring und Schwabing-Freimann, dort, wo die Isar­auen ursprünglicher sind.

Mit dem Auto ist der Poschinger Weiher schnell zu erreichen. Von der Münchner Freiheit  ist es eine knappe Viertelstunde. Mit öffentlichen Ver­kehrs­mit­teln ist es zwar einfach, es bedarf aber etwas mehr Zeit. Mit der U-Bahn U6  (beispielsweise vom Ma­rien­platz) fährt man nach Norden in Richtung Gar­ching  und steigt an der Station Studentenstadt  aus. Von dort nimmt man den Bus 231  nach Isma­ning  und steigt in Unterföhring, Kanal  aus. Von dort sind es dann nur noch 600 m (aber das bereits in schöner Landschaft) bis zum  Poschinger Weiher.

In dieser Jahreszeit ist der Poschinger Weiher  eher unauffällig. Die Wasserfläche ist zum großen Teil zu­ge­fro­ren und mit Schnee bedeckt. Die offenen Stel­len bilden aber interessante Muster. Die Laub­bäu­me des Ufers sind nackt und gespenstisch.

Am Poschinger Weiher

Man kann sich die Lieblichkeit dieses Ortes in der schönen Jahreszeit kaum vorstellen, wenn die kleine Wirt­schaft geöffnet ist, die Tische des – eben­falls kleinen – Biergartens voll sind und sich Kinder im lauen Wasser des Weihers vergnügen.

Der Poschinger Weiher im Sommer

Der Poschinger Weiher  (eigentlich  Unterföhringer See), ein Bestandteil des Land­schafts­schutz­ge­biets Isartal,   ist als Baggersee nach dem Ersten Welt­krieg durch Kiesabbau für den Bau des Mitt­le­re-Isar-Ka­nals ent­stan­den. Im See liegt eine kleine Vo­gel­schutz­insel.

Die verwaiste Seewirtschaft

Nahe am See befinden sich die zwei Unterföhringer Schuttberge  aus dem Zweiten Weltkrieg. Hier wur­den Trümmer vor allem aus Schwabing ab­ge­la­den. Der niedrigere Hügel erhebt sich zwischen dem See und der Isar und ist ein beliebtes Ziel von Moun­tain­bi­kern. Der höhere liegt nördlich des Sees und bietet eine schöne Aussicht auf München. Freilich hat man bei dem heutigen Wetter keine Chance, etwas zu sehen. Also gehe ich direkt bis zur Isar.

Der Isarsteg Unterföhring

An der Isar angekommen ist es nur noch eine kurze Strecke nach Norden bis zum Isarsteg Un­ter­föh­ring. An dieser Stelle ist die Isar die Grenze zwi­schen der Gemeinde Unterföhring  und München (Stadtteil Schwabing-Freimann). Siehe die Karte der Stadtteile Münchens.


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An der anderen Seite der Isar erwartet mich eine lange gerade Strecke (etwa 800 m) in Richtung Westen (hin zur Freisinger Landstraße).

In den nördlichen Isar-Auen

Diese Strecke hat es  bei diesem Wetter an sich. Der graue Himmel und der Schnee erwecken den Ein­druck, man bewege sich in einer Schwarz-Weiß-Landschaft, wie sie  in der Fotografie früherer Zeiten gerne dargestellt wurde: abstrakt, kon­trast­reich, „vintage“. Nur die Farben mancher Ano­raks von Spaziergängen unterbrechen für kurze Zeit diese Monotonie. Seitlich des Weges gleicht der Auwald mit seinem Wildwuchs einer un­durch­dring­lichen Urlandschaft. Weit weg ist die gepflegte „englische“ Landschaft des Englischen Gartens.

Kaum zu glauben, dass ich mich nur wenige hun­dert Meter entfernt vom Klärwerk Unterlappen  be­fin­de, und dass dahinter eine modern-hässliche Welt von Autobahn (A9), Betriebshöfen und Park­plät­zen auf mich warten würde. Letztere jene der berühmten  Allianz-Arena. Ein Flächenfraß, der nur zu ertragen ist, weil es inmitten der Moderne immer noch geschützte Inseln der Natur gibt, die wie in einem Fleckerlteppich da und dort auch innerhalb von Stadtgebieten weiter bestehen.

Am Ende des Weges passiere ich eine (offene) Schranke, biege dann rechts ab, überquere den Schwabinger Bach, kom­me an einem kleinen Park­platz vorbei, überquere noch den Garchinger Mühl­bach  und schon habe ich die kleine Auen­sied­lung  erreicht, die zum Münchener Stadtteil Frött­ma­ning  gehört.

Der Garchinger Mühlbach

Gleich am Ortseingang erwartet mich der im­po­san­te Bau der Freimann-Moschee.  Sie wurde von 1967 bis 1973 als siebente Moschee in Deutschland und erste Moschee in Bayern erbaut. Die Bau­ar­bei­ten waren auf­grund fehlender fi­nan­ziel­ler Mit­tel schnell ins Stocken gekommen. 1968 standen Moschee und Kul­tur­zen­trum erst im Rohbau.

Die Freimann-Moschee

1973 schoss schließlich Libyen die zur Fer­tig­stel­lung fehlenden Gelder zu. Die Baukosten wurden von vierzehn islamischen Staaten finan­ziert. Die Planung wurde von Architekt Osman Edip Gürel  zusammen mit seiner Frau, der Innenarchitektin Necla Gürel, durchgeführt. Die Moschee wurde als parabelförmige Scha­len­kons­truk­tion mit einem frei stehenden, 33 Meter hohen Minarett ausgeführt.


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Ausschnitt des Minaretts

Als ich die Auensiedlung, an dessen Rande sich die Moschee befindet, erforsche, bekomme ich wieder den Eindruck, den ich bereits in den Isar-Auen hatte. Dass nämlich diese kleine Siedlung, die aus einer über­schau­baren Anzahl niedlicher, idyl­lisch um einen kleinen Weiher angeordneter Einfamilienhäuser besteht, wie ein kleines Dorf irgendwo in der „heilen Welt“ des „tiefen“ Bayerns aussieht, tatsächlich aber in unmittelbarer Nähe des genannten Klärwerks liegt und der „nicht heilen“ Welt von Werbegebiet und Zersiedlung.

Die Auensiedlung  liegt  im Stadtteil Fröttmaning, einem Ort, den es faktisch gar nicht mehr gibt, denn sein historischer Kern wurde in den 1960er-Jahren (mit Ausnahme der Heilig-Kreuz-Kirche) unter ei­nem Müllberg begraben, dem heutigen Frött­ma­nin­ger Berg. Dieser ist nichts anderes als das re­na­tu­rierte Deponiegelände. Die Auen­sied­lung, die erst nach dem Krieg entstanden ist, ist heute das einzige Wohngebiet in diesem Stadt­teil.

Der zugefrorene kleine See der Siedlung 

Die Siedlung liegt zwischen der Freisinger Land­stra­ße und den oberen Isarauen. Sie entstand 1948 als wilde Siedlung auf dem Grund eines Frött­ma­nin­ger Bauern. Zunächst sollte diese Siedlung abgerissen werden, doch dank der Initiative der 14. Juni 1952 gegründeten „In­te­res­sen­ge­mein­schaft Auen­sied­lung an der Frei­sin­ger Land­straße“ le­gi­ti­mier­te der Stadtrat die Siedlung am 16. Februar 1953 nach­träglich.

Die Siedlung vor dem Fröttmaninger Berg

Es ist erstaunlich: Wenn man sich innerhalb des Ortes bewegt, merkt man optisch und akustisch kaum etwas von der „hässlichen“ Umgebung. Im Westen ist die Siedlung durch eine Lärm­schutz­wand und dichtem Baum­bestand von der Freisinger Landstraße getrennt. Im Süden und im Osten sor­gen die urwaldähnlichen Isar-Auen für Ab­ge­schie­den­heit. Im Norden verläuft zwar – in nur 100 m Entfer­nung – die Autobahn A99, aber diese 100 m haben den gleichen Urwaldcharakter wie der rest­li­che Auenwald. Wenn man sich darin verirrt, könnte man denken, man sei am anderen Ende der Welt.


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Für dieses außergewöhnliche Buch folgten die Fotografen der GDT dem Lauf der Isar von ihrer Quelle im Karwendel in Tirol durch das Hochgebirge der Alpen über breite Kies­bänke und die Auwälder zwi­schen München und Deg­gen­dorf bis zu ihrer Mün­dung in die Donau.


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