ALLACHER LOHE NATURSCHUTZGEBIET
19. April 2020: In Zeiten des Corona-Virus sehne ich mich mehr als sonst nach einem Aufenthalt in einem kühlen Wald! Kurze Recherche bei Google Maps und die „Allacher Lohe“ wird zu meiner Wahl. Nach nicht wenigen Spaziergängen in den stadtnahen Münchner Forsten, en subtilen Charme von Fichtenplantagen ausstrahlen, ist die Perspektive, einen wenn auch kleinen, aber noch urwaldartigen, naturnahen Wald zu erleben, eine Verlockung.
Die etwa 150 Hektar große Allacher Lohe ist einer der letzten Restbestände des einst für den Münchner Norden und Westen charakteristischen Lohwaldgürtels. Der Begriff „Lohwald“ beschreibt einen lichten Waldtyp, der auch offene Flächen umfassen kann, wie beispielsweise die für den Münchner Norden typischen Heideflächen. Was mich etwas skeptisch macht, ist, dass das Naturschutzgebiet von der Dachauer straße im Osten, der Autobahn A99 im Norden und dem Rangierbahnhof im Süden fast völlig eingekreist ist und somit de facto vom Umland abgeschnitten ist, also eine kleine, vermutlich bedrohte ökologische Insel ist.
In der Tat: Im Bundesverkehrswegeplan 2030 ist vorgesehen, südlich der bestehenden Tunnelanlage der A99 einen neuen Tunnel auf knapp eineinhalb Kilometern Länge zu graben. Dieser Tunnel läge dann unmittelbar unter der Allacher Lohe, was zweifelsohne zum Fällen zahlreicher alter Bäume führen würde. Der alternative Plan, den zweiten Tunnel unter der bestehenden Röhre zu bauen, würde wesentlich mehr kosten. Der Verkehr auf den Autobahntrassen sei – so die „Verkehrsplaner“ – schon so dicht, dass sich viele Autofahrer lieber über den Mittleren Ring quälen als auf der A99 im Stau zu stehen. Eine beängstigende Perspektive.
Bringen bedrohte Käferarten Hoffnung? Naturschützer haben in der Allacher Lohe nicht nur Juchtenkäfer, den Stachelkäfer und den Länglichen Fadensaftkäfer entdeckt, sondern auch weitere seltene und vom Aussterben bedrohte Käferarten wie den größten europäischen Käfer, den in einigen Gebieten Bayerns als ausgestorben geltenden Hirschkäfer (der mit dem markanten „Geweih“ der Männchen).
Benutzen Sie nicht Ihr Navi, um hinzukommen. Mich führte es zu gesperrten Straßen, von denen es noch 10-15 Minuten zu Fuß bedarf, um ans Ziel zu kommen. Am besten entlang die Dachauer Straße direkt zum See fahren. Und im Umfeld parken.
Stille im Wald
Auch in Corona-Zeiten (zudem ist heute Sonntag) sind sogenannte Münchner „Naherholungsgebiete“ gut besucht. Entlang des schmalen Pfades, der rund um den See führt, kann man Kleinfamilien und sportlichen Paaren kaum ausweichen. So bleibt mir nichts anderes übrig, als auf dem Forstweg südlich des Sees direkt zum Wald durchzumarschieren. Interessanterweise geht es auch streckenweise bergauf. Während des Baus des Rangierbahnhofs wurde offensichtlich viel Erdreich bewegt und aufgeschüttet. So ist eine abwechslungsreiche Landschaft im ansonsten flachen Münchner Norden entstanden.
Gelbes Windröschen (Anemone ranuncoloides)
„Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus“, das war einmal so, vor langer, langer Zeit. Die Klimaerwärmung hat auch diese dichterische Veranschaulichung ins Wanken gebracht. Bereits in den frühen Apriltagen rollt eine grüne Welle übers Land, und innerhalb nur weniger Wochen verwandeln sich kahle Parks und Mischwälder in Bilder eines hellgrün leuchtenden Impressionismus.
Vom Hauptweg zweigen zahlreiche kleine Pfade in den Wald ab, die ein dichtes Netz bilden für (heute hoffentlich wenige) Besucher. Von dem Augenblick an, in dem ich den Wald betreten habe, wird Staunen zum mich beherrschenden Gefühl, denn wohin ich auch schaue, sehe ich einen urwüchsigen, „richtigen“ Wald, so wie es die Natur eigentlich für Deutschland vorgesehen hatte, denn dieses Land wäre, hätte der Mensch nicht eingegriffen, fast vollständig von Laubmischwäldern bedeckt. Bayern wäre sogar ein Buchenland.
Die Vielfalt der Vegetation ist frappierend: Vereinzelte große Stieleichen, Hainbuchen in großer Zahl, Linden, Eschen und Spitzahorne, alle in hellem, frühlingshaftem Laubgrün gekleidet. Unter ihnen üppiger Bewachs mit Sträuchern, Stauden, und Kräutern. Stellenweise besteht der Unterwuchs aus farbenfrohen Gelben Windröschen, Busch-Windröschen und Märzveilchen. Da und dort vermodert ein zerrissener Baumstamm, quer über einigen Pfaden liegen umgestürzte Bäume, die den Eindruck von Ursprünglichkeit verstärken.
Es fühlt sich an, wie „zu Hause“ angekommen zu sein. Vollkommene Entspannung: Ob Blümchen beobachten, in die Sonnenstrahlen blinzeln, die durch das Zweiggewölbe hervorgucken, oder die dunklen Silhouetten mächtiger Baumstämme als Scherenschnitte betrachten, ich nehme mir die Zeit und öffne mich der wohltuenden Atmosphäre dieses Waldes. Das Rascheln der Blätter im Nachmittagslüftchen, das sporadische Tock-tock-tock eines Spechtes, eine Vogelstimme hie und da – so etwas nenne ich eine fast absolute Stille! Das Wörtchen „fast“ nur deshalb, weil aus der Ferne die Geräusche des Autobahnverkehrs immer noch zu hören sind. Ich versuche mir vorzustellen, es handele sich um das Rauschen eines lieblichen Baches.
Die Pracht und die Vielfalt dieses Waldes mit all seinem Reichtum und seiner Majestät bemächtigt sich meines Gemutes. Einfach Zeit im Wald verbringen und nichts tun, in eine Art Meditation ohne Lotussitz versinken, bewusst atmend, kleinste Details wahrnehmend!
Nur – bitte! – keine uralte Eiche umarmen. Der Wald soll zu keinem modischen Ereignis für Yuppies werden, die Peter Wohllebens Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“ gelesen haben. Ein paar Mountainbiker hasten vorbei. Den Wald ohne Langsamkeit erleben? Das ist mir unverständlich!
Heute sind weniger als fünf Prozent des Stadtgebiets Wald. Der Rest wurde über die Jahrhunderte hinweg gerodet, um Acker- und Siedlungsland zu gewinnen, und zum Teil sogar für die Bau- und Brennholznutzung geopfert. Die wenigen im Stadtgebiet verbliebenen Wälder sind weitgehend gesichert. So sind etwa Angerlohe und Allacher Lohe als europäisches Schutzgebiet ausgewiesen, letztere ist sogar Naturschutzgebiet.
Gewöhnliche Traubenkirsche (Prunus padus)
Aus den Waldbereichen und den angrenzenden Heideflächen ist ein wertvolles Wald-Heide-Mosaik hervorgegangen. Wegen seines Artenreichtums, des besonderen Strukturreichtums und seiner landschaftsprägenden Eigenschaft ist das Gebiet zum Naturschutzgebiet erklärt worden.
Heidelandschaft
Der Landschaftssee Allacher Lohe, auch Hundesee genannt, ist ein künstlich angelegtes Stillgewässer. Der etwa 5,5 Hektar große Baggersee liegt im Stadtbezirk Ludwigsfeld auf einer Höhe von 499 m ü. NN. Im See herrscht Badeverbot, um eine ungestörte Entwicklung der Uferbereiche sowie der für Amphibien wichtigen Flachwasserbereiche und für bodenbrütende wasserliebende Vogelarten zu gewährleisten.
Der See Allacher Lohe
ENTSTEHUNG: Für den Bau des angrenzenden Rangierbahnhofes und der Gleiskörper wurden in den 1990er Jahren große Mengen von Kies benötigt. Diese konnten vor Ort im Tagebau aus den anstehenden nacheiszeitlichen Vorkommen des Dachauer Mooses gewonnen werden. Der See wurde in der hierdurch entstandenen Kiesgrube als Betriebs- und Löschwassersee für den Rangierbahnhof angelegt. Gespeist wird der See aus Niederschlägen, anstehendem Grundwasser und vom kleinen Hartmannshofer Bach.
BUCHTIPPS: | |
Das geheime Leben der Bäume: Was sie fühlen, wie sie kommunizieren | |
Mit „Das geheime Leben der Bäume“ hatte Peter Wohlleben 2015 seinen größten Erfolg. Das Buch stand 2015 und 2016 an der Spitze der Bestsellerlisten, auch im Jahr danach gehörte es noch zu den beliebtesten Sachbüchern. Der Autor erzählt darin beispielsweise von Bäumen, die über ihr Wurzelsystem Nährstoffe austauschen oder Duftstoffe aussenden, um sich vor Schädlingen zu warnen. | |
Wir sind Geschöpfe des Waldes: Warum wir untrennbar mit den Bäumen verbunden sind | |
Wolf-Dieter Storl ist ein deutschamerikanischer Kulturanthropologe, Ethnobotaniker und Buchautor. Storls Publikationen beschäftigen sich vor allem mit Ethnobotanik, Ethnomedizin, traditioneller Phytotherapie und Kulturökologie. Der Bestsellerautor möchte uns in diesem Buch den Wald wieder näherbringen. Er gibt uns einen Einblick in die Tiefen des Waldes mit seiner Geschichte, seinen Mythen, Bildern und Symbolen. | |
Was blüht denn da? (Kosmos-Naturführer) | |
Seit 1935 ist „Was blüht denn da? “ das populärste Pflanzenbestimmungsbuch. Die Grundidee ist so einfach: Blühende Pflanzen fallen vor allem durch ihre Farbe auf. Was liegt also näher, als Blumen nach der Farbe ihrer Blüten zu bestimmen? Jetzt präsentiert sich „Was blüht denn da? “ im neuen, frischen Gewand und wartet mit komplett aktualisiertem Inhalt und vielen Detailabbildungen auf. | |