SIEBENBRUNNER SPAZIERGANG
13. JUNI 2020
Das am östlichen Isarufer zwischen Untergiesing und Harlaching gelegene Siebenbrunn ist zweifelsohne ein sehr schönes Münchner Viertel. Zwar findet man hier nur wenige denkmalgeschützten Bauten, aber die Mischung aus Kleingärten, freien Grünflächen und lockerer Wohnbebauung ergibt einen gewissen Charme.
Die meisten Münchner kennen den Namen „Siebenbrunn“ nur wegen der gleichnamigen Gaststätte mit einladendem Biergarten. Das Viertel, ein Stadtbezirksteil des Stadtbezirks Untergiesing-Harlaching, ist vor allem wegen einigen äußerst interessanten Sehenswürdigkeiten einen Besuch wert.
Mein Spaziergang beginnt am Candidplatz. Von hier aus gehe ich in Richtung Süden, die Schönstraße entlang. Nach einigen hundert Metern führt mich ein kleiner Schlenker in die Pistorinistraße, in der ich die interessante (moderne) Architektur einer Gruppe von Reihenhäusern bewundern kann. Es ist ein schönes Wohnen hier, direkt an den Isarauen.
Pistorinistraße
Viele denkmalgeschützte Gebäude gibt es in der Schönstraße nicht. Rechts und Links stehen fast ausschließlich uninteressante Mietshäuser aus der Nachkriegszeit. An der Schönstraße 33 steht allerdings ein sehenswertes neubarockes Gebäude aus der Jahrhundertwende mit einem hübschen Erkerturm und etwas Stuckdekor. Ein schönes Stück Alt-München!
Ecke-Schönstraße/ Halbigstraße
Geht man die Halbigstraße Richtung Osten, so öffnet sich der Blick zunächst auf die große, unbebaute Fläche der Kleingartenanlage „An der Birkenleiten“. Im Hintergrund ragt, weithin sichtbar über die Kleingärten, der Turm eines äußerst merkwürdigen, schwer einzuordnenden Gebäudes, dessen Architektur eine Mischung aus einem Fantasieschlösschen und einer orthodoxen Kirche ist.
Es handelt es sich um die 1880 errichtete ehemalige Villa des Hofgoldschmieds und Juweliers Karl Winterhalter, inzwischen vom Templer-Orden in Besitz genommen. Die Ordensgemeinschaft erwarb die Villa 1968 von der Stadt München und baute sie für ihre Zwecke und Bedürfnisse aus. Auffällig ist das Kloster vor allem wegen des nachträglich hinzugefügten, 87 Meter hohen Kirchturms; allein die Turmzwiebel misst achtzehn Meter in der Höhe.
Templer-Archiconvent
Der Archiconvent der Templer, oft einfach kurz Templer-Kloster genannt, ist ein Kloster des „Trinitarion des orientalisch-orthodox-katholischen und kreuzesritterlichen Chor- und Hospitaliter-Ordens der Templer e.V.“, der gemäß der Regel des historischen Templerordens lebt. Der Gebäudekomplex des Klosters ist als Baudenkmal in die Bayerische Denkmalliste eingetragen.
Das Kloster wird von dreizehn Mönchen und dreizehn Nonnen (symbolisch für Jesus Christus und die zwölf Jünger) betrieben. Die Ordensgemeinschaft lebt nach strengen Regeln und in Klausur. Täglich werden Lebensmittel an Bedürftige ausgegeben.
Etwas weiter (an der Schönstraße 55) steht zur Linken ein unauffäliger Quaderbau, dessen Fassade in der Mitte durch ein Tor und ein darüber angeordnetes Glasfenster unterteilt ist. Würde sich nicht in der Mitte des Flachdachs eine von einem Kreuz gekrönte Kuppel befinden, käme ich kaum auf die Idee, es handele sich um eine Kirche: die am 17. Oktober 1976 geweihte Kirche „Maria Schutz und St. Andreas“ ist die „Kathedrale der Apostolischen Exarchie für katholische Ukrainer des byzantinischen Ritus“.
Ukrainische-Kirche
Der Altarraum ist gegenüber dem Hauptraum leicht erhöht und durch eine mit wunderschönen Ikonen geschmückte Wand mit Türen (der sogenannten „Ikonostase“) von diesem getrennt. Freilich konnte ich den Innenraum nur sehen, weil ich das Glück hatte, während der Zelebrierung einer Messe hier vorbeizukommen, nach deren Ende ich auch fotografieren durfte.
Ich verlasse die Schönstraße, um meinen Spaziergang in den schattigen Isarauen fortzusetzen. Es geht am Aubach, auch Aubächl genannt, entlang, einem Seitenarm des Auer Mühlbachs, der im Tierpark von diesem abzweigt. Während der Auer Mühlbach nahe der Hangkante des Isarhochufers fließt, bleibt das Aubächl in der Nähe der Isar und fließt in vielen Windungen durch die südlichen Isarauen. Früher gab es mehrere Abzweigungen des Auer Mühlbachs, sie wurden im Laufe der Zeit aber alle aufgelassen.
Das Aubächl
Mein Ziel ist die Isar Alm, ein entzückernder kleiner Biergarten, der einbebettet ist in das Grün zahlreicher Kleingärten.
Es sitzt sich gut in der Isar Alm, die einer kleinen Oase gleicht: gegen Westen von den hohen Bäumen der Isar-Auen beschattet, in allen anderen Richtungen eingebettet in die farbenfrohe Landschaft des Kleingartenvereins Süd West 54.
Immer wieder staune ich über die große Anzahl von Kleingarteanlagen in München. Es gibt in der bayerischen Metropole über hundert Kleingartenanlagen mit über 11.000 Pächtern. Und das soll im Vergleich zu anderen Städten der Bundesrepublik unterdurchschnittlich sein.
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Zwischen den Isar-Auen und der Schönstraße sind die Wohnsiedlungen nicht von großem Interesse. Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich um langweilige Nachkriegsbauten.
Siedlung an der Nithartstrasse
Interessanter wird es, als ich wieder an der Schönstraße ankomme. Entlang dieser Straße waren um die Jahrhundertwende vor dem Ersten Weltkrieg vereinzelt Villen und Mietshäuser im Renaissance- und im Reformstil entstanden.
Schönstraße/ Brehmstraße
Besonders malerisch ist eine Wohnhausgruppe an der Ecke zur Brehmstraße (Reformstil, Anfang des 20. Jahrhunderts). Eine dreigeschossige Anlage mit Mansarddach, Giebeln und Risaliten (Bauteile, die vor die eigentliche Fassade vorspringen).
Besonders auffallend an dieser Gebäudegruppe sind zwei schöne und farbenfrohe Statuetten. Die rätselhafte Figur eines auf einer Schnecke reitenden Kindes und die wunderschön kolorierte Hausmadonna in einer Nische der Hausfassade.
Von hier aus sind es nur ein paar hundert Meter bis zum nächsten Biergarten, jenem der Gaststätte Siebenbrunn. Von viel Grün umgeben breitet sich im Schatten von Kastanien der großzügige Wirtsgarten aus. Die nahe Straße, die am Tierpark Hellabrunn vorbei hinauf ins „noble“ Harlaching führt, stört kaum.
Übrigens: Seinen Namen erhielt Siebenbrunn von den Hangquellen, die unterhalb der Harlachinger Straße heraustreten. Eine der Quellen findet man am Hang ein paar Meter direkt neben dem Gasthaus!
Eiskaffe
Das Gasthaus wurde bereits Mitte des 18. Jahrhunderts erwähnt, damals noch als „adeliger Sitz“. Später ließen die Fabrikanten Schmalz und Fehr hier Stiefel und Sandalen nähen. Im frühen 19. Jahrhundert wurde schließlich der ehemalige Edelsitz zu einer gut frequentierten Ausflugswirtschaft umgebaut. Und das ist sie auch bis zum heutigen Tag geblieben, sie ist eine Münchner Institution! Und gäbe es in Hellabrunn nicht das Tierparkrestaurant, das Café Rhino und die Pizzeria mit Blick auf den Flamingoteich, wären die Chancen, hier einen Platz zu finden, sehr gering. Der Gastraum, dessen Wände von hellem Holz gekleidet sind, ist besonders gemütlich.
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Coole Coffeeshops und romantische Kaffeehäuser, schicke Weinbars und traditionelle Wirtshäuser, Biergärten im Grünen und internationale Ausstellungen in neuester Architektur, Jazz- Clubs und Elektro-Clubs, unabhängige Galerien und altehrwürdige Museen. Alles findet in eine Stadt statt, die geprägt wurde von Königen und Regenten, Welt- kriegen, Künstlervereinigungen, Studentenrevolten und Schickeria und natürlich durch die Isar. | |
Nach einem erfrischenden und aufmunternden Eiskaffee setze ich meinen Spaziergang in Richtung Norden fort. Zunächst geht es knappe hundert Meter entlang der Mörikestraße, dann weiter auf einem Schotterweg, der in einem dichten, schattigen Wäldchen verschwindet. Man könnte sich auf dem Land wähnen, fernab von allem, was an eine Großstadt erinnert. Parallel zum Weg fließt auf der rechten Seite ein winziges Gewässer, der Harlachinger Quellbach. Nach einer kleinen Lichtung tauche ich wieder im kühlen Schatten der Bäume unter. Kurz bevor der Quellbach in den Auer Mühlbach mündet, führt eine kleine Brücke über den Letzteren.
Auer Muehlbach
Danach ist es, als sei der Sommer ausgebrochen. Rechts, jenseits des Auer Mühlbachs noch der tiefe Schatten der bewaldeten Hangkante des Steilufers, links des Weges die von der goldenen Nachmittagssonne überfluteten Kleingärten. Früher soll der Bach an dieser Stelle nicht für jedermann zugänglich gewesen sein. Die Kleingärten reichten bis unmittelbar ans Ufer. Mehrere Leitern und Einstiege entlang dieses Abschnitts stammen vermutlich aus jener Zeit.
Auer Muehlbach
Jetzt aber haben Jugendliche die Stelle erobert. Entlang des Fußwegs und am Ufer des Bachs sieht man sie überall: in den Nischen zwischen Büschen und Bäumen sitzen sie auf Decken und Badetüchern, plaudern, faulenzen, sonnen sich, lesen. Ab und zu sucht sich jemand einen Einstieg und lässt sich ein paar Meter im kalten Bach treiben, bevor er bei den Schrebergärten wieder beizeiten einen Ausstieg sucht.
Ich gehe weiter. An der Stelle, wo sich der Kunstmühlennebenbach vom Auer Mühlbach abzweigt, bin ich fasziniert vom Urwaldcharakter der Vegetation an den beiden Ufern des Baches.
Auer Mühlbach
Nach der Gabelung folgt der Weg den Biegungen des Kunstmühlennebenbaches und mündet in der Wohlgemutstraße. Gleich sehe ich die Kleingärten vor dem Templer-Archikonvent wieder. Zwei Mal nach rechts geht es zur nächsten Sehenswürdigkeit.
Die Kraemer’sche Kunstmühle am Auer Mühlbach war bis 2007 eine Getreidemühle. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde hier noch Getreide gemahlen. Seit 2011 wird das Gebäude als Büro- und Gewerbegebäude genutzt. Die Beziehung zwischen dem Auer Mühlbach und der Kraemer’schen Kunstmühle begann vor über 300 Jahren. Bereits 1701 wurde an dieser Stelle eine Papiermühle errichtet, um die Energie des bestehenden kleinen Gefälles zu nutzen.
Die Kraemer'sche Mühle
1863 wurde die Mühle durch die Familie Kraemer erworben und zur Getreidemühle umgebaut. Der zur damaligen Zeit hochmoderne Maschinenpark berechtigte zur Führung des Namens „Kunstmühle“. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Mühle gezielt zerstört. Bei einem ersten Bombenangriff am 22. November 1944 wurde die Mühle stark beschädigt. Fünf Tage später folgte ein zweiter Bombenangriff, der die Mühle dem Erdboden gleichmachte. Nach dem Krieg wurde die Mühle 1945–1948 wieder aufgebaut.
Kraemer'sche Mühle und Archikonvent
Im Juli 2007 stellte die Familie Kraemer nach intensiven Überlegungen den Mühlenbetrieb ein. Nach der Stilllegung wurde das Gebäude behutsam und nachhaltig renoviert und revitalisiert und einer zeitgemäßen gewerblichen Nutzung zugeführt. Die Räume wurden an Werbeagenturen, einen Kindergarten, Architekten, Fotografen, Ingenieure und an eine Kaffeerösterei vermietet. Zu den Öffnungszeiten des Caffé Fausto kann man durch eine Glasscheibe hindurch immer noch die Wasserkraftanlage besichtigen.
Firmensitz der Kraemer'schen Kunstmühle
Die Mühle hatte ein eigenes Laufwasserkraftwerk und erzeugte etwa ein Viertel der benötigten elektrischen Energie aus dem Auer Mühlbach. Nach der Stilllegung der Mühle wurden der alte Generator und das alte Getriebe mit Schwungrad, das die Bewegung der Turbine auf den Generator übertrug, 2009 durch einen neuen Generator und ein neues Getriebe ersetzt. Der Generator liefert eine Leistung von etwa 130 kW, die in das öffentliche Netz eingespeist wird.
Das Kraftwerksgebäude
Das Caffé Fausto wird gerne von Spaziergängern besucht, es ist eine Art Geheimtipp. Es erinnert mit seiner Einrichtung an ein altes Kaffeekontor. Gäste können Kaffeebohnen auch gleich als Packerl in der Shopping-Tüte mitnehmen. Man kann sogar bei der Röstung der Bohnen durch eine Glasscheibe zusehen.
BUCHTIPP: | |
München mit anderen Augen sehen: 23 Spaziergänge zu besonderen Orten | |
Das Buch sammelt 23 ganz besondere Touren, erzählt von Orten, die eine ganz besondere Bedeutung haben, vom früheren Hasenjagdrevier der Kurfürsten zu einer Gedenktafel für einen Widerstandskämpfer, zu einem Pilgerweg, der an Schloss Schleißheim vorbeigeht, zur über 800 Jahre alte Heilig-Kreuz-Kirche und vielem mehr. |
BUCHTIPP: | |
Glücksorte in München: Fahr hin und werd glücklich | |
Das Buch ist eine Einladung zum Besuch von kulturellen, politischen, künstlerischen und sportlichen Orten, die uns das gute Gefühl geben, richtig zu sein. In dieser Stadt sitzt das Glück wirklich an jeder Ecke. Manchmal muss man nur den Stuhl ein bisschen verrücken, das Herz öffnen und sich auf seine Sinne verlassen. | |