MÜNCHNER  SPAZIERGÄNGE

STAND: JANUAR 2024


SIEBENBRUNNER SPAZIERGANG


13. JUNI 2020

Das am östlichen Isarufer zwischen Untergiesing  und Harlaching  gelegene Siebenbrunn ist zwei­felsohne ein sehr schönes Münchner Viertel. Zwar findet man hier nur wenige denk­mal­ge­schütz­ten Bauten, aber die Mischung aus Klein­gär­ten, freien Grünflächen und lockerer Wohn­be­bau­ung ergibt einen gewissen Charme.

Die meisten Münchner kennen den Namen „Sie­ben­brunn“ nur wegen der gleichnamigen Gast­stätte mit einladendem Biergarten. Das Viertel, ein Stadt­be­zirksteil des Stadtbezirks Untergiesing-Har­la­ching, ist vor allem wegen einigen äußerst in­te­res­san­ten Sehens­würdigkeiten einen Besuch wert.

Mein Spaziergang beginnt am Candidplatz. Von hier aus gehe ich in Richtung Süden, die Schön­stra­ße  ent­lang. Nach einigen hundert Metern führt mich ein kleiner Schlenker in die Pisto­ri­ni­straße, in der ich die interessante (moderne) Architektur einer Gruppe von Reihen­häu­sern bewundern kann. Es ist ein schönes Wohnen hier, di­rekt an den Isarauen.

Pistorinistraße

Viele denkmalgeschützte Gebäude gibt es in der Schönstraße nicht. Rechts und Links stehen fast aus­schließ­lich uninteressante Mietshäuser aus der Nachkriegszeit. An der Schönstraße 33 steht al­lerdings ein se­hens­wertes neubarockes Gebäude aus der Jahrhundertwende mit einem hübschen Er­kerturm und etwas Stuckdekor. Ein schönes Stück Alt-München!

Ecke-Schönstraße/ Halbigstraße


Geht man die Halbigstraße Richtung Osten, so öff­net sich der Blick zunächst auf die große, un­be­bau­te Fläche der Kleingartenanlage „An der Bir­ken­leiten“. Im Hintergrund ragt, weithin sichtbar über die Kleingärten, der Turm eines äußerst merk­wür­di­gen, schwer einzuordnenden Gebäudes, dessen Architektur eine Mischung aus einem Fan­ta­sie­schlöss­chen und einer orthodoxen Kirche ist.

Es handelt es sich um die 1880 errichtete ehemalige Villa des Hofgoldschmieds und Juweliers Karl Win­ter­halter, inzwischen vom Templer-Orden in Besitz genommen. Die Ordensgemeinschaft erwarb die Villa 1968 von der Stadt München und baute sie für ihre Zwecke und Bedürfnisse aus. Auffällig ist das Kloster vor allem wegen des nachträglich hin­zu­ge­fügten, 87 Meter hohen Kirchturms; allein die Turm­zwiebel misst achtzehn Meter in der Höhe.

Templer-Archiconvent

Der Archiconvent der Templer, oft einfach kurz Templer-Kloster  genannt, ist ein Kloster des „Tri­nitarion des orientalisch-orthodox-katholischen und kreuzesritterlichen Chor- und Hospitaliter-Or­dens der Templer e.V.“, der gemäß der Regel des historischen Templerordens lebt. Der Ge­bäu­de­kom­plex des Klosters ist als Bau­denkmal in die Ba­ye­rische Denkmalliste eingetragen.

Das Kloster wird von drei­zehn Mönchen und drei­zehn Nonnen (symbolisch für Jesus Christus und die zwölf Jünger) betrieben. Die Or­dens­ge­mein­schaft lebt nach strengen Regeln und in Klausur. Täglich werden Lebensmittel an Be­dürf­tige aus­gegeben.


Etwas weiter (an der Schönstraße 55) steht zur Linken ein unauffäliger Quaderbau, dessen Fassade in der Mitte durch ein Tor und ein darüber an­ge­ord­netes Glasfenster unterteilt ist. Würde sich nicht in der Mitte des Flachdachs eine von einem Kreuz gekrönte Kuppel befinden, käme ich kaum auf die Idee, es handele sich um eine Kirche: die am 17. Oktober 1976 geweihte Kirche „Maria Schutz und St. Andreas“ ist die „Kathe­dra­le der Apos­to­li­schen Exar­chie für ka­tho­li­sche Ukra­iner des by­zan­ti­ni­schen Ritus“.

Ukrainische-Kirche

Der Altarraum ist gegenüber dem Hauptraum leicht erhöht und durch eine mit wunderschönen Ikonen ge­schmück­te Wand mit Türen (der sogenannten „Ikonostase“) von diesem getrennt. Freilich konnte ich den Innenraum nur sehen, weil ich das Glück hatte, während der Zelebrierung einer Messe hier vorbeizukommen, nach deren Ende ich auch fo­to­grafieren durfte.



Ich verlasse die Schönstraße, um meinen Spa­zier­gang in den schattigen Isarauen fort­zu­set­zen. Es geht am Aubach, auch Aubächl  genannt, entlang, einem Seitenarm des Auer Mühl­bachs, der im Tierpark von diesem abzweigt. Während der Auer Mühlbach  nahe der Hangkante des Isarhochufers fließt, bleibt das Aubächl  in der Nähe der Isar und fließt in vielen Windungen durch die südlichen Isarauen. Früher gab es mehrere Ab­zwei­gun­gen des Auer Mühlbachs, sie wurden im Laufe der Zeit aber alle aufgelassen.

Das Aubächl


Mein Ziel ist die Isar Alm, ein entzückernder klei­ner Biergarten, der einbebettet ist in das Grün zahl­reicher Klein­gär­ten.

Es sitzt sich gut in der Isar Alm, die ei­ner klei­nen Oa­se gleicht: gegen Westen von den hohen Bäumen der Isar-Auen beschattet, in allen anderen Rich­tun­gen ein­ge­bettet in die farben­frohe Landschaft des Klein­gar­ten­vereins Süd West 54.

Immer wieder staune ich über die große Anzahl von Kleingarteanlagen in München. Es gibt in der ba­ye­ri­schen Metropole über hundert Klein­gar­ten­an­la­gen mit über 11.000 Pächtern. Und das soll im Ver­gleich zu anderen Städten der Bun­des­re­publik un­ter­durchschnittlich sein.


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Zwischen den Isar-Auen und der Schönstraße sind die Wohnsiedlungen nicht von großem Interesse. Mit we­ni­gen Aus­nah­men handelt es sich um lang­wei­lige Nach­kriegs­bauten.

Siedlung an der Nithartstrasse

Interessanter wird es, als ich wieder an der Schön­straße  ankomme. Entlang dieser Straße waren um die Jahrhundertwende vor dem Ersten Weltkrieg vereinzelt Villen und Mietshäuser im Re­nais­sance- und im Reformstil entstanden.

Schönstraße/ Brehmstraße

Besonders malerisch ist eine Wohnhausgruppe an der Ecke zur Brehmstraße (Reformstil, Anfang des 20. Jahrhunderts). Eine dreigeschossige Anlage mit Mansarddach, Giebeln und Risaliten (Bauteile, die vor die eigentliche Fassade vorspringen).

Besonders auffallend an dieser Gebäudegruppe sind zwei schöne und farbenfrohe Statuetten. Die rätselhafte Figur eines auf einer Schnecke reitenden Kindes und die wunderschön kolorierte Haus­madonna in einer Nische der Haus­fassade.


Von hier aus sind es nur ein paar hundert Meter bis zum nächsten Biergarten,  jenem der Gaststätte Sie­ben­brunn. Von viel Grün umgeben breitet sich im Schatten von Kastanien der großzügige Wirts­garten aus. Die nahe Straße, die am Tierpark Hel­la­brunn  vorbei hinauf ins „noble“ Harla­ching  führt, stört kaum.

Übrigens: Seinen Namen erhielt Siebenbrunn von den Hangquellen, die unterhalb der Harlachinger Straße  heraustreten. Eine der Quellen findet man am Hang ein paar Meter direkt neben dem Gast­haus!

Eiskaffe

Das Gasthaus wurde bereits Mitte des 18. Jahr­hun­derts erwähnt, damals noch als „adeliger Sitz“. Später ließen die Fabrikanten Schmalz und Fehr hier Stiefel und Sandalen nähen. Im frühen 19. Jahrhundert wurde schließlich der ehemalige Edel­sitz zu einer gut frequentierten Aus­flugs­wirt­schaft umgebaut. Und das ist sie auch bis zum heu­tigen Tag geblieben, sie ist eine Münch­ner Ins­titution! Und gäbe es in Hel­la­brunn  nicht das Tier­park­restaurant, das Café Rhino  und die Pizzeria mit Blick auf den Fla­min­go­teich, wären die Chan­cen, hier einen Platz zu finden, sehr gering. Der Gastraum, dessen Wän­de von hellem Holz ge­klei­det sind, ist besonders gemütlich.


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Coole Coffeeshops und romantische Kaffeehäuser, schicke Weinbars und traditionelle Wirtshäuser, Biergärten im Grünen und internationale Ausstellungen in neuester Architektur, Jazz- Clubs und Elektro-Clubs, unabhängige Galerien und altehrwürdige Museen. Alles findet in eine Stadt statt, die geprägt wurde von Königen und Regenten, Welt- kriegen, Künstlervereinigungen, Studentenrevolten und Schickeria und natürlich durch die Isar.

Nach einem erfrischenden und aufmunternden Eiskaffee setze ich meinen Spaziergang in Richtung Norden fort. Zunächst geht es knappe hundert Meter entlang der Mörikestraße, dann weiter auf einem Schotterweg, der in einem dichten, schat­tigen Wäldchen verschwindet. Man könnte sich auf dem Land wähnen, fernab von allem, was an eine Großstadt erinnert. Parallel zum Weg fließt auf der rechten Seite ein winziges Gewässer, der Har­la­chinger Quellbach. Nach einer kleinen Lich­tung tauche ich wieder im kühlen Schatten der Bäu­me unter. Kurz bevor der Quellbach in den Auer Mühlbach mündet, führt eine kleine Brücke über den Letzteren.

Auer Muehlbach

Danach ist es, als sei der Sommer ausgebrochen. Rechts, jenseits des Auer Mühlbachs noch der tiefe Schatten der bewaldeten Hangkante des Steilufers, links des Weges die von der goldenen Nach­mit­tags­son­ne über­flu­teten Kleingärten. Früher soll der Bach an dieser Stelle nicht für jeder­mann zu­gäng­lich gewesen sein. Die Kleingärten reichten bis unmittelbar ans Ufer. Mehrere Leitern und Einstiege entlang dieses Abschnitts stam­men vermutlich aus jener Zeit.

Auer Muehlbach

Jetzt aber haben Jugendliche die Stelle erobert. Entlang des Fußwegs und am Ufer des Bachs sieht man sie überall: in den Nischen zwischen Büschen und Bäumen sitzen sie auf Decken und Ba­de­tü­chern, plaudern, faulenzen, sonnen sich, lesen. Ab und zu sucht sich jemand einen Einstieg und lässt sich ein paar Meter im kalten Bach treiben, bevor er bei den Schrebergärten wieder beizeiten einen Ausstieg sucht.

Ich gehe weiter. An der Stelle, wo sich der Kunst­müh­len­nebenbach  vom Auer Mühlbach ab­zweigt, bin ich fasziniert vom Urwaldcharakter der Ve­ge­ta­tion an den beiden Ufern des Baches.

Auer Mühlbach

Nach der Gabelung folgt der Weg den Biegungen des Kunst­müh­lennebenbaches und mündet in der Wohl­gemutstraße. Gleich sehe ich die Kleingärten vor dem Templer-Archikonvent wieder. Zwei Mal nach rechts geht es zur nächsten Sehenswürdigkeit.


Die Kraemer’sche Kunstmühle am Auer Mühl­bach  war bis 2007 eine Getreidemühle. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde hier noch Getreide ge­mah­len. Seit 2011 wird das Gebäude als Büro- und Gewerbegebäude genutzt. Die Beziehung zwischen dem Auer Mühlbach und der Krae­mer’schen Kunst­mühle  begann vor über 300 Jahren. Bereits 1701 wurde an dieser Stelle eine Papiermühle errichtet, um die Energie des bestehenden kleinen Gefälles zu nutzen.

Die Kraemer'sche Mühle

1863 wurde die Mühle durch die Familie Kraemer erworben und zur Getreidemühle umgebaut. Der zur da­ma­ligen Zeit hochmoderne Maschinenpark berechtigte zur Führung des Namens „Kunst­müh­le“. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Mühle ge­zielt zerstört. Bei einem ersten Bombenangriff am 22. November 1944 wurde die Mühle stark beschädigt. Fünf Tage später folgte ein zweiter Bombenangriff, der die Mühle dem Erd­bo­den gleichmachte. Nach dem Krieg wurde die Mühle 1945–1948 wieder aufgebaut.

Kraemer'sche Mühle und Archikonvent

Im Juli 2007 stellte die Familie Kraemer nach in­tensiven Überlegungen den Mühlenbetrieb ein. Nach der Stilllegung wurde das Gebäude behutsam und nachhaltig renoviert und revitalisiert und einer zeitgemäßen gewerblichen Nutzung zugeführt. Die Räume wurden an Werbeagenturen, einen Kin­der­gar­ten, Architekten, Fotografen, Ingenieure und an eine Kaffeerösterei vermietet. Zu den Öf­fnungs­zei­ten des Caffé Fausto kann man durch eine Glasscheibe hindurch immer noch die Was­ser­kraft­an­lage besichtigen.

Firmensitz der Kraemer'schen Kunstmühle

Die Mühle hatte ein eigenes Laufwasserkraftwerk  und erzeugte etwa ein Viertel der benötigten elek­trischen Energie aus dem Auer Mühlbach. Nach der Stilllegung der Mühle wurden der alte Generator und das alte Getriebe mit Schwungrad, das die Bewegung der Turbine auf den Generator übertrug, 2009 durch einen neuen Generator und ein neues Getriebe ersetzt. Der Generator liefert eine Leistung von etwa 130 kW, die in das öffentliche Netz ein­gespeist wird.

Das Kraftwerksgebäude

Das Caffé Fausto  wird gerne von Spaziergängern besucht, es ist eine Art Geheimtipp. Es erinnert mit seiner Einrichtung an ein altes Kaffeekontor. Gäste können Kaffeebohnen auch gleich als Packerl in der Shopping-Tüte mitnehmen. Man kann sogar bei der Röstung der Bohnen durch eine Glasscheibe zu­sehen.


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