GRAFRATH & AMPERSCHLUCHT
8. MAI 2020
Grafrath ist eine entzückende kleine Gemeinde mit etwa 3800 Einwohnern im Landkreis Fürstenfeldbruck.
Am problemlosesten ist die Anfahrt mit der S-Bahn (S4). Denn da bekommt man keine Parkplatzprobleme. Vom Bahnhof nimmt man dann den Bus zur Kommunalverwaltung (zu Fuß wären es 1,7 km) und man ist bereits am Startpunkt der Wanderung.
Mit dem Auto erreicht man den Ort am einfachsten über die A96. Bei der Ausfahrt Inning am Ammersee nimmt man die Bundesstraße B471 in Richtung Norden. Nach etwa 5 km ist man am Ziel. Man hat dann allerdings das Problem mit dem Parken. An Sommerwochenenden kommen die Besucher in Scharen. Ab Mitte Juli endet die naturschutzbedingte Sperrung der Amper für Bootsfahrer. Fast alle Bootsbesatzungen parken ein Auto am Einstiegspunkt. Rasch ist der Parkplatz am Bahnhof durch andere Tagestouristen zugeparkt und alle Nebenstraßen ebenso.
Unter der Woche (und vor Mitte Juli) ist die Situation entspannter. Man kann versuchen in den Nebenstraßen zu parken. Wanderern werden auf jeden Fall dringend die Vor- und Nachsaison empfohlen. Frühling und Herbst ist die Landschaft entlang der Amper sowieso von besonderer Schönheit.
Ab Grafrath in Richtung Norden bildet die Amper für mehrere Kilometer einen wildromantischen Taleinschnitt durch eine sanfte Hügellandschaft.
An der Graf-Rasso-Säule im Kreisverkehr (bzw. direkt an der Brücke über die Amper) beginnt unser Spaziergang. Vor den Augen eine gelbgespränkelte Frühlingsblumenwiese und die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Ein herrlicher Anblick! Der schmale St-Ulrich-Weg führt parallel zur Amper.
Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt
Schlagartig löst sich jede Hektik in Luft auf und man taucht ein in eine naturbelassene Flusslandschaft. Nach wenigen hundert Metern kommen wir zur malerischen Holzbrücke, dem Ampersteg, und überqueren den Fluss. Von hier aus nehmen wir nicht die parallel zum Fluss führende Amperstraße, sondern gehen die Kirchstraße und die Adalmuntstraße entlang, um zunächst nach Unterhalting zu gelangen, einem Ortsteil von Grafrath.
Der Ampersteg
Rechts von der Straße liegt die im Jahr 1674 neu errichtete St. Mauritiuskirche. HINWEIS: Im Friedhof findet man das Grab der Eltern des Komponisten Carl Orff, die mit ihrem berühmten Sohn regelmäßig in Unteralting zur Sommerfrische waren.
St. Mauritius Kirche in Unteralting
Nur wenige hundert Meter vom Ortsende von Unteralting entfernt findet sich ein ungewöhnliches Geotop, das 20 Meter tiefe „Toteisloch“ Tiefes Tal. Es ist als Naturdenkmal ausgewiesen und Bestandteil des Landschaftsschutzgebietes Obere Amper. Toteislöcher sind eine typische Erscheinung für Gegenden, an denen früher Gletscherzungen endeten.
Vor etwa 20.000 Jahren, in der Würm-Eiszeit, endeten die Gletscher in dieser Region. Ein Teil des Ammerseegletschers wurde damals durch Geschiebe vom abfließenden Hauptgletscher getrennt und mit Geröll überdeckt. So hielt sich darunter das „tote“ Eis noch länger als der Hauptgletscher. Als es später auch schmolz und das Wasser im Boden versickerte, blieb in der Landschaft die große, kesselförmige Vertiefung, das Toteisloch zurück.
Das „Tiefe Tal“
Das Tiefe Tal genannte Toteisloch ist eigentlich weniger ein Tal, als vielmehr ein ringsum geschlossener Talkessel mit einem Durchmesser von etwa 200 Metern. Das Tiefes Tal wird im Winter gerne als Rodelberg genutzt.
Tief im Wald
Weiter geht es über einen Wiesenweg hin zu den Sportanlagen, dann über die Hauptstraße hinein in den Wald. Gleich am Anfang des Weges ist ein Hinweisschild zu einem Gräberfeld. Es ist eines von vielen bekannten Bodendenkmälern rund um die Gemeinde. Wir marschieren aber munter weiter, denn unser eigentliche Ziel ist die Amperschlucht.
Der Weg zur Amper verläuft eine kurze Zeit in einem lichten Wald, dann öffnet sich die Landschaft und es geht einen schmalen Hang hinab zur Amper zu einer wunderschönen Streuwiese am Flussufer. Dort hat sich eine junge Familie um ein kleines Zelt breit gemacht und genießt die laue Spätnachmittagsluft.
Idylle am Fluss
Vom westlichen Rand der Wiese folgen wir jetzt dem Pfad in Richtung Amperschlucht, der auch zurück nach Grafrath führt. In einem wunderschönen Laubwald am Hang verlaufend, ist dieser Abschnitt der Höhepunkt unserer Wanderung. Dunkel ist der Wald. Weiter unten sieht man die Amper glitzern.
Am oberen Waldrand kommen wir zu den von mir angepeilten „Totenbrettern“. Als solche werden Holzbretter bezeichnet, auf denen Tote bis zum Begräbnis aufgebahrt wurden und die später zur Erinnerung an den Verstorbenen neben Bäumen, an Kapellen oder Wegkreuzungen aufgestellt wurden. Diese Tadition, die in früheren Zeiten im Bayerischen Wald weit verbreitet war, ist längst ausgestorben, dennoch hatte ich vor längerer Zei das Glück gehabt, sie gewissermaßen noch „real“ zu erleben.
Im kleinen Ort St. Thoma im Böhmerwald hatte ich in den 90-er Jahren die Bekanntschaft mit Peter Ziegrosser gemacht, einem älteren Herrn, der zur Zeit des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei als politisch Unliebsamer in das kleine Dorf im „Niemandsland“ verbannt worden war.
Ziegrosser zeigte mir damals voller Stolz zwei an seine Haustür gelehnte und mit geheimnisvollen Symbolen beschnitzte Totenbretter, die er für sich und seine Frau eigenhändig angefertigt hatte.
Es ist bereits später Nachmittag. Die Sonne steht tief, ihre Lichtstrahlen ziehen eine Schneise zwischen den dunklen Silhouetten der Bäume und verleihen dem Wald einen fast mysthischen Charakter. Einzelne direkt angestrahlte Bäume wirken fast gespenstisch und bedrohlich. Sie stechen mit ihren kräftigen Farben aus der Dunkelheit hervor, als möchten sie unbedingt „gesehen werden“!
Es ist erstaunlich, wie sich eine Landschaft oder ein Wald abhängig vom Licht verändern kann. In den Abendstunden werden die Farben intensiver, die Kontraste stärker, Licht und Schatten erzeugen abstrakte Muster, die sich mit jedem Schritt verändern. Dabei werden die Gedanken konzentrierter und die Fantasie kann sich ihre eigenen Erzählungen schaffen.
Unser Weg geht weiter in der Amperschlucht, einem dichtbewaldeten, in den Hang eingeschnittenen Gelände, hinab zum Fluss, der an dieser Stelle etwas schmäler ist. Die Wege sind recht schmal und stellenweise steil. Man darf sich von der Amperschlucht (im Gegensatz zur berühmteren Ammerschlucht) keinen Canyon erwarten, sondern ein sehr grünes Tal mit ganz viel Natur. Die Schlucht ist mit Feuchtwiesen, Mischwald und einer nahezu unverbauten Amper noch recht ursprünglich und steht entsprechend unter Naturschutz.
Wohnidylle an der Amper
An der Kläranlage raschen Schrittes vorbeimarschiert kommen wir wieder in den Ort, der im klaren Abendlicht noch schöner und gemütlicher erscheint als auf dem Hinweg. Wohnen direkt am Fluss, das stelle ich mir – mit Ausnahme vielleicht jener heißen Tage, wenn die Mücken kommen – herrlich vor.
Die St-Rasso-Kirche
Bei der Wallfahrtkirche Grafrath (1688 und 1695 erbaut) sind wir am Ziel. Die Kirche verdankt ihre Entstehung der Gestalt „Graf Rath“ bzw. „Graf Rasso“, der auf dem Areal ein Kloster gegründet hatte und dort auch seine letzte Ruhestätte fand. Sie war jahrhundertelang Ziel einer bedeutenden Wallfahrt.
BUCHTIPP:
Heilige Quellen in Oberbayern
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BUCHTIPP:
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