AUSFLUGSZIELE

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DER PATERZELLER EIBENPFAD


9. SEPTEMBER 2018

Es gibt Orte, die kann man nicht durch Zufall „ent­decken“. Man muss an den richtigen Rei­se­füh­rer kommen oder – in meinem Fall – eine natur­lie­bende „gute Fee“ kennen, die bereit ist, ihr „Ge­heim­nis“ zu teilen.

Die Bayerischen Staatsforste  sind reich an Na­tur­juwelen. Im Pfaffenwinkel, einer Region in Süd­bayern, die zwischen Lech  und Loisach  liegt, befindet sich   in der Nähe des kleinen Or­tes Pater­zell  (Gemeinde Wes­so­brunn) der magisch an­mu­tende Paterzeller Eibenwald, ei­ner der größten zusammenhängenden Bestände der Eu­ro­päischen Eibe  in Deutschland. Zwischen Bu­chen, Fichten und Tannen wachsen dort mehr als 2000 alte Eiben. Der 88 ha große Eibenwald wurde bereits 1939 unter Naturschutz gestellt und zählt somit zu den ältesten Natur­schutz­gebieten Deutschlands.

Als Tagesausflug lohnt sich der Spaziergang nur, wenn man mit dem eigenen Auto fährt. Weilheim, der nächst­gelegene größere Ort, ist zwar mit der Bahn in etwa 40 Minuten von München aus er­reichbar, die Bus­ver­bin­dun­gen zu Paterzell  sind aber selten.

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Die beste Zeit, den Eibenwald zu besuchen, sind die frühen Stunden des Tages und die Spät­nach­mit­tags­stunden, denn dann kann das Licht fas­zi­nie­rend sein. Wenn das Licht weich ist und die Schat­ten lang, ist die Wahrscheinlichkeit, Elfen, Druiden und Gnome zu begegnen, relativ groß, zumindest wenn man Fantasie hat oder einen Hang zum Esoterischen.

Sollten Sie sich für den Vormittag entscheiden, ist es empfehlenswert, sich früh auf die Reise zu ma­chen, um eventuell auf der Terrasse des Land­gast­hofs Zum Eibenwald zu früh­stücken. Wir hatten das Pech, an einem Ruhe­tag anzureisen, haben es aber irgendwie geschafft, einen heißen Kaffee mit Landschaftsblick zu genießen.

Landgasthof Zum Eibenpfad

Um zum Eibenwald zu kommen, geht man vom Landgasthof zurück auf der Hauptstraße bis zur Kapelle St. Ulrich, um dann mach rechts abzu­zwei­gen. In weniger als 400 Meter ist der Waldrand erreicht.

Bauernorchideen am Waldrand

Im Eibenwald  kann man auf dem soge­nann­ten Ei­benpfad unter alten Eiben wandern – ne­ben dem größten Eibenvorkommen Deutschlands finden sich aber auch Buchen, Fichten, Erlen und Eschen – und die Aus­strah­lung dieser teils ural­ten Bäume genießen. Wegen seines sumpfigen Cha­rak­ters und der zahlreichen na­tür­li­chen Wasser­läu­fe wirkt der Wald be­son­ders ein­drucks­voll. Entlang des weni­ger als zwei Kilometer langen Parcours des Pfades be­fin­det sich eine Reihe von mit Nummern ver­se­henen Auskunfttafeln, an denen Wis­sens­wer­tes über die jeweilige Stelle vermittelt wird.

Die Europäische Eibe (Taxus baccata) gehört in allen europäischen Ländern zu den ge­schütz­ten Pflan­zen­arten. Sie ist die älteste und schat­ten­ver­träg­lichste Baumart Europas und kann ein sehr hohes Alter er­reichen.

Die Eibe ist ein in vieler Hinsicht besonderer Baum. Sie ist zwar ein Nadelgehölz, bildet aber keine Sa­men­zapfen wie die Fichte oder die Tanne, son­dern rote Beeren. Genauer gesagt handelt es sich nur um Schein­beeren  (Arillus), bei denen das rote Fleisch des Frucht­be­chers einen Samenkern um­hüllt. Die Europäische Eibe  ist normalerweise zwei­häu­sig, das heißt: Männ­liche und weibliche Blüten befinden sich auf un­ter­schied­lichen Bäu­men. Es gibt aber auch Ausnahmen, bei denen sich Blüten beider Ge­schlech­ter auf dem­sel­ben Baum befinden.

Junge Eiben besitzen meist schlanke Stämme mit einer gleichmäßigen Beastung. Die Krone ent­wi­ckelt sich mit zunehmendem Alter zu einer run­den, eiförmigen oder kugeligen Form. Oft sind frei stehende Eiben bis an den Boden beastet. Ältere Exemplare sind nicht selten mehr­gipfelig und mehrstämmig. Charakteristisch ist die dünne grau- bis rotbraune Schup­pen­borke der Ei­benstämme. Die jungen Eiben haben eine glatte Rinde, die später zu einer graubraunen, sich in Schuppen ablösenden Borke wird.

Bis auf den bei Reife rot gefärbten Samenmantel und den Pollen sind alle Pflanzenteile der Eibe stark giftig. Bereits eine Aufnahme von 50 bis 100 Gramm Eibennadeln kann für den Menschen tödlich sein. Die Kelten  verwendeten Eibennadelabsud, um ihre Pfeilspitzen zu vergiften und Ju­lius Caesar  be­richtete in seinem „De bello Gallico“ von einem Stam­mes­fürs­ten, der lieber mit Eiben­gift Selbst­mord beging, als sich den Römern zu ergeben.

Während Pferde als besonders gefährdet gelten, scheinen Rinder, Schafe und Ziegen eine To­le­ranz gegen die Gifte der Europäischen Eibe zu ent­wi­ckeln, wenn sie daran gewöhnt sind, re­gel­mäßig kleinere Mengen zu fressen.


BUCHTIPP:
Das geheime Leben der Bäume
Erstaunliche Dinge geschehen im Wald: Bäume, die miteinander kommu­ni­zie­ren. Bäume, die ihren Nach­wuchs, aber auch alte und kranke Nach­barn lie­be­voll umsorgen und pflegen. Bäu­me, die Empfindungen haben, Ge­füh­le, ein Gedächtnis.

Die Eibe hat vielfältige Überlebensstrategien ent­wickelt, um mit den wesentlich höheren Bu­chen, Fichten und Tannen konkurrieren zu können. Zum Beispiel verträgt sie mehr Schatten als alle anderen Bäume in Mit­tel­europa. Auch aus einem gefällten oder ab­ge­brochenen Stamm kann sie neu aus­treiben.

Austrieb aus einem gefällten Stamm

Eibenholz braucht klares Wasser – ent­spre­chend mäandert oder plätschert manch kris­tall­klarer Bach über den Waldboden oder am Wegesrand.

Auch ohne esoterisch angehaucht zu sein – ich be­nutze nur ungern das Wort „Kraft­ort“ –, spüre ich eine subtile Faszination beim Betreten dieses Wal­des. Wenn ich die alten Bäume als uralte Lebe­we­sen, jedes von denen eine eigene „Persön­lich­keit“ hat, betrachte und wenn ich im Wald unter­schied­liche „Räume“ ent­de­cke, deren Ein­zig­ar­tigkeit ich spüren kann, dann fühle ich mich schon ein wenig, als wäre ich in einem Zau­ber­wald.

Die Stille genießen, in das eigene Selbst einkehren, den Erzählungen der Bäume und dem Rauschen der Wasserläufe lau­schen: Das ist ein Erlebnis, das mehr sein kann als ein Ein­tau­chen in die Natur!

So folgen wir zwar dem Lehrpfad, weichen von ihm aber gerne ab, wenn ein besonderer „Raum“ (bei­spiels­weise ein Schachtelhalmfeld) die Auf­merk­samkeit auf sich zieht.

Schachtelhalme

Zahlreiche Pfade führen durch diesen Wald, sodass man den Spaziergang beliebig ver­län­gern könnte und zu einer sportlichen „Wanderung“ erweitern könnte. Aber selbst wenn man sich für eine längere Zeit aus­schließlich an einer einzigen Stelle auf­hiel­te, um den eigenen Geist im Wald „an­kom­men“ zu lassen, wäre das Erlebnis nicht geringer. Es geht nicht ums Vorwärtskommen. Es geht darum, zu begreifen, was es mit diesem Wald auf sich hat.


BUCHTIPP:
Eibengift (Oberbayern Krimi)
Die mystischen Eiben in den Eibenwäldern von Paterzell und Gößweinstein sind die Quelle der Inspiration für drei Malerinnen. Ihnen gilt ihr ganzes Können, ihre Hingabe. Die internationale Anerkennung scheint zum Greifen nahe. Doch dann geschieht das Unfassbare: Zwei der Malerinnen werden mit Eibengift ermordet.

In der Gegend von Wessobrunn  gibt es noch weitere Sehenswürdigkeiten. Die Wichtigsten sind das Kloster Wessobrunn, eine be­ne­diktinische Gründung, die im Jahr 753 vom Ba­yern­herzog Tassilo III. gestiftet wurde, und die sogenannte Tassilo-Linde.

Die Besichtigung kann beim Gasthaus zur Post beginnen, dessen Terrasse zudem auch ein idealer Platz für eine Brotzeit mit Landschaftsblick ist.

Bei der folgenden Karte empfiehlt es sich, die genauere Openstreet-Map  auszuwählen (Auf RELIEF MAP klicken)!


ZUR ÜBERSICHTSKARTE


Direkt gegenüber dem Gasthaus ist eine alte Linde zu sehen, unter der ein mächtiger Steinbrocken steht. In diesen ließ 1875 Prof. Dr. Johann Nepomuk Sepp, der damalige Besitzer der ehemaligen Klos­ter­gebäude, das um 800 entstandene Wes­so­brunner Gebet meißeln.

Das Wessobrunner Gebet

Das Wessobrunner Gebet, auch Wessobrunner Schöpfungsgedicht genannt, gehört zu den früh­esten poetischen Zeugnissen in alt­hoch­deut­scher Sprache. Es ist das älteste er­hal­te­ne christliche Gedicht der deutsch­spra­chi­gen Literatur.

Ins heutige Deutsch übersetzt lautet (ein Auszug davon) so:

„Das erfuhr ich unter den Menschen
als der Wunder größtes,
dass Erde nicht war, noch oben der Himmel,
nicht Baum ..., noch Berg nicht war,
noch ... irgend etwas,
noch die Sonne nicht schien,
noch der Mond nicht leuchtete,
noch das herrliche Meer.
Als da nicht war an Enden und Wenden,
da war der eine allmächtige Gott,
der Wesen gnädigstes,
und da waren mit ihm auch
viele herrliche Geister.
Und Gott der heilige ...“
 

Kloster Wessobrunn

Das Kloster dient heute als Heimat für eine Na­tur­kosmetik-Firma. Der Prälatentrakt mit dem Tas­silosaal und Mag­dalenensaal kann im Rahmen von Führungen besichtigt werden.

Der Spaziergang beginnt beim Kloster. Be­vor man losmarschiert, lohnt ein Blick in die im Stil des Rokoko erbaute Pfarrkirche. Die Klosterkirche steht nicht mehr. Sie wurde im Zuge der Säkularisation abgerissen.

Der Glockenturm  des ehemaligen Klosters – heute ist es ein geschütztes Baudenkmal – wurde Mitte des 13. Jahrhunderts errichtet. Der massive Turm aus Tuffsteinquadern diente auch als Wehrturm und Rückzugsort bei Gefahren. Der Tuffstein wurde im Eibenwald ab­gebaut, denn dieser steht auf meterdickem Tuffstein. Diese geologische Be­son­derheit ist ein Grund für den hohen Anteil an Eiben in diesem Wald, denn auf der niedrigen Hu­mus­schicht über dem Tuffstein wächst die Eibe besser als andere Baumarten.

Wessobrunner Glockenturm

Sehenswert ist auch das 1735 errichtete Brun­nen­haus  des ehemaligen Klosters. Es ist in der Art einer Loggia auf­ge­baut und wird durch Dop­pel­pi­laster und drei Arkaden gegliedert. Es hat drei massiv ein­gefasste Quel­lbecken. Das Bauwerk ist ein ge­schütz­tes Baudenkmal. Das klare Quell­was­ser wird für die Forellenzucht genutzt.

Wessobrunner Brunnenhaus

Einen Überblick der Sehenswürdigkeiten der Gemeinde Wessobrunn finden Sie auf deren Web­seite.

Der Weg zur berühmten Tassilo-Linde ist gut be­schildert und führt über einen ausgebauten Pfad an einer Mariengrotte  und einem künstlich an­ge­leg­ten Teich vorbei. Tassilo III., der letzte ba­ye­ri­sche Herzog aus dem Geschlecht der Agilolfinger, soll, so die Legende, unter der Linde den Traum gehabt haben, der ihn das Kloster Wessobrunn gründen hieß.

Auf dem Weg zur Tassilo-Linde

Die Tassilo-Linde ist 25 Meter hoch und ihre Krone hat einen Durchmesser von 27 Metern. Der Baum­stamm hat einen Umfang von etwa 14 Metern, was der drittgrößte Umfang einer Linde in Bayern ist. Forstleute schätzen sie auf 900 Jahre. Damit zählt sie zu den ältesten Winterlinden in Bayern. Der Legende nach ist sie sogar mehr als 1300 Jahre alt.

Als ich bei der Linde ankomme, bin ich etwas ent­täuscht. Denn sie besteht nicht aus einem ein­zel­nen Stamm, sondern aus einem Mantel, der in mehrere Bäume aufgegliedert ist, die alle aus einer Wurzel stammen. Das macht den Baum etwas weni­ger imposant, als der 14-Meter-Umfang vermuten ließe.

Die Tassilo-Linde


BUCHTIPPS:
Mythos Baum: von Ahorn bis Zitrone
Der Bäume-Klassiker – jetzt noch attraktiver im Großformat mit vielen Abbildungen und Details · Der Baum in Geschichte, Mythologie, Religion, Brauchtum und vieles mehr · Die 40 wichtigsten heimischen und medi­ter­ranen Gehölzarten in aus­führ­lichen Porträts.

Pfaffenwinkel: Ein Hauch vom Paradies
Das oberbayerische Alpenvorland ist ein reizvolles Fleckchen Erde. Und mitten darin gibt es einen idyllischen Landstrich, von dem man glauben möchte, der liebe Gott habe ihn be­sonders liebevoll modelliert und zu­sätz­lich noch mit kulturellen Schät­zen übermäßig reich gesegnet: der Pfaffenwinkel.