ETTALER WEIDMOOS
25. MAI 2018
Die Gegend um Ettal und Oberammergau gehört zu den schönsten Gegenden Bayerns, besonders im Frühling, wenn die Wiesen vor Farben fast explodieren. Es ist keine hochalpine, sondern eine weite, offene Landschaft, die beruhigend auf das Gemüt wirkt. Wandern ist hauptsächlich ein Erlebnis fürs Auge. Das Erleben von Natur mehr als schweißtreibende Aufstiege sind auch die Motivation für meinen heutigen Ausflug.
Wenn man in diese Gegend kommt, sollte man sich einen Besuch der Benediktinerabtei Ettal nicht entgehen lassen. Das 1330 gegründete Kloster ist nicht nur wegen seiner beeindruckenden Bauten, sondern auch wegen seines wunderschönen Klostergartens sehenswert. Man sollte es an Sommerwochenenden allerdings tunlichst meiden, es sei denn, man sieht in der Gesellschaft von ganzen Busladungen von Touristen die eigene Erfüllung.
Kloster Ettal
Der Zufall wollte es, dass derzeit – vom 3. Mai bis zum 4. November 2018 – im Kloster Ettal die Landesausstellung zum 100. Jubiläum des Freistaats zu sehen ist, deren Motto „Wald, Gebirg und Königstraum – Mythos Bayern“ ist. Das kann ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Im Mittelpunkt steht ein 13 Meter hoher Holzpavillon im Außenbereich des Klosters.
In diesem werden in Form einer Multimedia-Show die Schlösserwelten gezeigt, die der König gebaut hatte und noch bauen wollte.
Multimedia-Show (König-Ludwig-Pavillon)
Freilich ist das Kloster nicht nur ein Ort des Glaubens, sondern auch ein wirtschaftliches Unternehmen. Zum Kloster gehören landwirtschaftliche Betriebe, mehrere Gasthöfe, ein Hotel sowie ein Gymnasium mit angeschlossenem Internat. Darüber hinaus ein Kunstverlag, eine Destillerie und eine Brauerei. Mehr erfährt man auf der sehr informativen Webseite der Abtei.
Keinesfalls sollte man sich einen Besuch des Klosterladens mit seinem reichhaltigen Angebot an sakralen Kunstgegenständen und Geschenkartikeln, Büchern und Spirituosen entgehen lassen.
Kloster-Liqueur
Mein eigentliches Ziel ist das Ettaler Weidmoos im Graswangtal, ein Naturschutzgebiet, das zu allen Jahreszeiten ein besonders landschaftliches Juwel ist.
Als ich die Bundesstraße 23 entlang in Richtung Oberammergau fahre, erlebe ich ein Schauspiel aus Licht und Farben, das mich in eine rauschähnliche Begeisterung versetzt. Der östliche Teil des Hauptkamms der Ammergauer Alpen mit dem auffälligen Wahrzeichen Oberammergaus, dem Kofel, steht als dunkle Silhouette vor dramatisch wirkenden dunklen Gewitterwolken. Davor ein Blumenteppich in den Farben Gelb und Pinkrot so weit das Auge reicht.
Vorderer Rappenkof und Kofel
Ich benutze ungern diese Metapher, denn sie klingt ein wenig abgegriffen, aber es ist tatsächlich ein impressionistisches Gemälde, das ich vor Augen habe. Meine Palette ist der Fotoapparat!
Im Graswangtal
Das Pinkfarbene kommt von den zahlreichen Kuckuckslichtnelken, hüfthohe Blumen mit wunderschönen Blüten, die ein bisschen zerfranst aussehen; das Gelb stammt vom Acker-Hahnenfuß; lilafarbene Wiesen-Storchschnäbel, unzählige andere Blumen sowie die unterschiedlichsten Gräser prägen das Gesamtbild.
Kuckucks-Lichtnelken (Silene flos-cuculi)
Es ist eine Symphonie von Farben, wie man sie heutzutage nur noch selten erlebt. Es ist eine kurze Zeitspanne im Frühling und im Frühsommer, in der man so etwas erleben kann, besonders dann, wenn man nicht willig (oder in der Lage) ist, anstrengende, stundenlange Bergaufstiege auf sich zu nehmen.
Storchschnabel (Geranium pratense)
Das Naturschutzgebiet Ettaler Weidmoos liegt zwischen Ettal, Oberammergau und Graswang. Auf den feuchten Streuwiesen und Moorflächen dieses Gebietes sind zahlreiche geschützte Pflanzenarten, darunter viele Orchideen, beheimatet.
Im Ettaler Weidmoos
Als Ausgangspunkt einer Wanderung in diesem Naturschutzgebiet kann man entweder den kleinen NSB-Parkplatz an der B23 wählen oder – so wie ich es getan habe – den Parkplatz an der Arme-Seelen-Straße, den man über die in Richtung Schloss Linderhof führende Staatsstraße 2060 erreicht.
WANDERKARTE: | |
Ammergauer Alpen: | |
Wanderkarte mit Ausflugszielen, Einkehr- & Freizeittipps sowie Mediationsweg Ammergauer Alpen, wetterfest, reißfest, abwischbar, GPS-genau. 1:35000 (Wanderkarte / WK). | |
Zahlreiche sind die Möglichkeiten, dieses Gebiet zu erwandern. Ein etwa fünf km langer Rundweg führt die Ammer entlang in Richtung Norden und über den Fahrweg Arme-Seelen-Straße wieder zurück.
Ich ziehe es vor, den Fahrweg bis zum Waldrand zu gehen und dann den Waldweg (Dickenwaldweg) in Richtung Westen zu spazieren – bis zu den Rahmbauernhöfen. Das Wort Rahm hat übrigens nichts mit Schlagrahm zu tun, sondern bezeichnet Wiesen inmitten eines Bergwaldes.
Einer der Rahmbauernhöfen
Zurück wandere ich über die von kleineren Wegen durchzogenen Wiesen. Glasklare Bäche schlängeln sich durch das Moos. Bäche, die die Ammer speisen, die ihren Ursprung im Graswangtal an der Grenze zu Österreich hat, wo das Wasser zuerst als Linder bei Schloss Linderhof vorbeifließt und dann im Schotter des Tals versickert. Gerade bei den Rahmbauernhöfen und oberhalb der Ettaler Mühle tritt es in mehreren Quelltöpfen wieder zutage.
Im Quellgebiet der Ammer
Was die Wolken vermuten ließen, tritt ein: Es trübt sich ein und beginnt zu nieseln. Was allerdings für den Wanderer meist ein Ärgernis ist, ist für den Fotografen vorteilhaft, denn ein leicht behangener Himmel bringt die Farben mehr zum Leuchten, als es ein grelles Sonnenlicht je vermöchte.
Als absoluter Laie in Sachen Botanik kann ich über den floristischen Höhepunkt, der dieses Stück Natur hervorgebracht hat, nur Staunen. Es blüht eine große Anzahl von unterschiedlichen Pflanzen. Es sind jene, die die alpenländische Streuwiese botanisch so reizvoll machen: Stängelloser, Frühlings- und Schlauchenzian (Gentiana acaulis, verna, utriculosa), Mehlprimel, Alpenhelm (Bartschia alpina), Alpenfettkraut (Pinguicula alpina), Alpenmaßliebchen (Aster bellidiastrum) und niedrige Swarzwurzel (Scorzonera humilis).
Alpenmaßliebchen (Bellidiastrum michelii)
Aber auch Trollblumem und verschiedene Orchideenarten (vor allem Orchis morio und Dactylorchis latifolia) tragen bei zur unvergleichlichen Schönheit dieses Biotops.
Trollblume (Trollius europaeus)
Kleines Knabenkraut (Orchis Morio)
Klappertopf (Rhinanthus alectorolophus)
Kaum bin ich beim Auto zurück, zeigen sich am Himmel wieder erste Lichtstreifen. Es klart fast schlagartig auf, was mich entsprechend unternehmungslustig macht. Zwar habe ich den Wanderabschnitt des Tages für beendet erklärt, nicht jedoch dessen aktiven Teil. Der Tag bleibt noch sehr lange hell.
Und weil Oberammergau nur ein Katzensprung von hier entfernt ist, beschließe ich, dessen berühmte, mit Lüftlmalereien verzierte Häuser wieder anzusehen. Sehr lange ist es her, als ich zum letzten Mal da war.
Lüftlmalerei (Pilatus Haus)
Die Lüftlmalerei, die heimische Kunstform der Fassadenmalerei, prägt seit Jahrhunderten die Ortsbilder oberbayerischer Dörfer und Städte. Sie erzählt Geschichten vom traditionellen Leben und dem tief verwurzelten Glauben der Dorfbewohner. Sie erfasst biblische Darstellungen bis hin zu den klassischen Motiven der Bauernmalerei aus dem ländlichen Alltag und der Jagd.
Lüftlmalerei (Hotel Alte Post)
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BUCHTIPPS: | |
Poesie und Bilder - Alpenländische Wandmalerei | |
Die Fassadenmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts in Oberbayern, die so genannte Lüftlmalerei, erfreut sich heute wieder zunehmender Beliebtheit. Die bevorzugten Motive dieser Kunstform sind Heilige, Tiere, Landschaften, Motive aus dem Alltagsleben und Ornamente wie Fenster- und Türumrahmungen. Helmut Hüfner erläutert den kulturgeschichtlichen Hintergrund dieser Malereien und stellt die bekanntesten Lüftlmaler vor. Eine Vielzahl farbiger Abbildungen dokumentiert die ganze Bandbreite der volkstümlichen Motivik. | |
Was blüht denn da? (Kosmos-Naturführer) | |
Seit 1935 ist „Was blüht denn da? “ das populärste Pflanzenbestimmungsbuch. Die Grundidee ist so einfach: Blühende Pflanzen fallen vor allem durch ihre Farbe auf. Was liegt also näher, als Blumen nach der Farbe ihrer Blüten zu bestimmen? Jetzt präsentiert sich „Was blüht denn da? “ im neuen, frischen Gewand und wartet mit komplett aktualisiertem Inhalt und vielen Detailabbildungen auf. | |