AM HINTERBRÜHLER SEE
16. OKTOBER 2021
Der Hinterbrühler See gehört zu meinen Lieblingsausflugszielen. Landschaftlich ist er in jeder Jahreszeit eine Idylle. Im Herbst aber unschlagbar schön! Beschaulich (meist auch am Wochenende) und im Sommer anregend, wenn ab dem frühen Nachmittag die Isarflöße auf dem Floßkanal vorbeirauschen. Absolut sehenswert!
Mit den Öffentlichen kommt man mit der U-Bahn Linie U3 bis Thalkirchen, von dort aus Weiterfahrt mit dem Bus 135 (Richtung Solln) bis zur Haltestelle Hinterbrühl.
Mit dem Auto fährt man die Zentralländstraße Richtung Campingplatz Thalkirchen, 300 Meter weiter liegt bereits Hinterbrühl (im Navi am besten Conwentzstr. 1 eingeben). Gegenüber der Bushaltestelle befindet sich ein kleiner Parkplatz. In der Conwentzstraße sind (zumindest während der Woche und/oder sehr früh am Tag) die Chancen auf einen Parkplatz relativ gut. Für alle Fälle gibt es am Campingplatz Thalkirchen kostenpflichtige Parkplätze. Von dort sind es etwa 700 m bis zum See.
Von der Conwentzstraße führt eine kleine Brücke (Mit Nepomuk-Statue) über den Floßkanal. Von dort geht man rechts bis zur Abzweigung des Floßkanals vom Isarwerkkanal. Dort steht die monumentale Statue „Der Isarflößer“. Das Werk des deutschen Bildhauers Fritz Koelle ist als Baudenkmal in die Bayerische Denkmalliste eingetragen.
Der Isarflößer
Koelle schuf die Figur in den Jahren 1938 bis 1939 in seinem charakteristischen Stil monumentaler Arbeiterfiguren. Man sieht in aller Deutlichkeit der Versuch des Künstlers, sich an den vorgegebenen Kunstgeschmack jener Zeit anzupassen.
Der Hinterbrühler See
Wenn man vom Isarflößer zunächst am Floßkanal entlang, dann am linken Seeufer nach Norden geht, kommt man nach etwa 200 Metern zu einem kleinen Biergarten, eigentlich nur ein Kiosk mit etwa 20 Tischen. Den „Seehaus-Kiosk“ zähle ich zu den gemütlichsten und urigsten Ausflugszielen an der Münchner Isar.
Der Seehaus-Biergarten
Sommer wie Winter bekommt man hier Kaffee und Kuchen, einfache warme Imbisse und selbstverständlich auch Bier. Die Öffnungszeiten variieren hier etwas und sind sehr von den Wettervorhersagen abhängig. Währen der COVID-Pandemie war der kleine Biergarten leider geschlossen. Gegenüber des Kiosks (am See) kann man normalerweise in den Sommermonaten Tretboote ausleihen.
Bootshaus am See
Da der Biergarten geschlossen ist, muss ich leider auf den gemütlichsten Teil des Spaziergangs verzichten. Ich spaziere weiter nach Norden am Westufer des kleinen Sees.
Der Hinterbrühler See (vom Ostufer gesehen)
An die nördliche Seespitze angekommen, setze ich meinen Spaziergang am Isarwerkkanal Richtung Norden fort. Es fehlen nur noch wenige Hundert Meter bis zum Kraftwerk Isarwerk 1.
Links des Weges wundert es mich, die Rasenflächen eines Golfplatzes zu sehen. Denn ich dachte, dass sich der Golfplatz München 1 (Thalkirchen) nur westlich der Zentralländstraße befände.
Golfclub-Rasenfläche
In der Tat ist das östlich der Zentralländstraße zwischen Floßkanal und Werkkanal liegende städtische Grundstück (Flurnummer 489/11) fast ein Dorn im Auge in dieser schönen Landschaft. Statt Schilder mit der Aufschrift „Golfplatz – Zutritt nur für Spieler“ könnte man sich hier ein öffentlich zugängliches Grün vorstellen. Das Münchner Forum e. V., ein gemeinnütziger Verein, das sich für größere Bürgerbeteiligung in der Stadtplanung einsetzt, könnte sich für das gesamte Areal des Golfclubs (also auch für das Grundstück westlich der Zentralländstraße) auch eine Renaturierung vorstellen.
Leider hat der Verein vor Kurzem eine wichtige Schlacht gegen den Golfclub verloren. Denn die Stadt München hat sich bereit erklärt, den bis Ende 2024 laufenden Pachtvertrag mit dem Münchner Golfclub vorzeitig bis zum Jahr 2030 zu verlängern. Denn, so die Begründung, „die fachgerechte Pflege natursensibler Bereiche sei nunmehr gewährleistet“. Kompliment! Gute Lobbyarbeit!
Am Isar-Werkkanal (Richtung Norden)
Das Isarwerk 1 ist ein Laufwasserkraftwerk an der Isar. Genauer gesehen liegt das Kraftwerk nicht direkt an der Isar, sondern an dem westlich der Isar verlaufenden etwa 12 km langen Isar-Werkkanal. Es ist das älteste noch betriebene Isarkraftwerk in München. Betrieben wird das Kraftwerk von den Stadtwerken München. Das Gebäude ist als Baudenkmal in die Bayerische Denkmalliste eingetragen.
Isarwerk 1 (Südseite)
Bald bin ich an der Stelle, wo der Floßkanal, der Ende des 19. Jahrhunderts für die Flößerei auf der Isar gebaut wurde, sich zur Floßlände (Zentrallände) weitet. An der Einmündung bildet das Wasser des Kanals (wenn es die Stadtwerke erlauben) eine stehende Welle, auf der gerne gesurft wird. Die Floßländewelle war der Ursprung des „Riversurfing“ nicht nur in München, sondern weltweit. 1972 hatten die Brüder Pauli die Welle im Isar-Floßkanal entdeckt, auf der man „reiten“ konnte, ganz ohne Seil.
Während der Rummel am Eisbach im Englischen Garten aber immer größer wurde, wurde es an der Floßlände immer ruhiger, denn die Stadtwerke München leiteten immer weniger Wasser in den Ländkanal, um mehr Wasser für ihre Kraftwerke zu nutzen. 2014 kam es zum Stillstand.
Monatelang testeten die Stadtwerke mit verschiedenen Wassermengen. Durch einen technischen Einbau konnte schließlich die Welle gesichert werden. Dennoch ist der Streit zwischen den Stadtwerken und den Surfern ein Dauerthema. Bis 2019 lief die Welle unter der Woche nur nachmittags. Mit Oberbürgermeister Dieter Reiter haben die Münchner Surfer einen großen Fürsprecher. Die Welle läuft zwischen Mai und September nur tagsüber zu bestimmten Zeiten. Die künstliche Welle befindet sich direkt unter einer Brücke, von der aus man das Treiben gut beobachten kann.
UPDATE April 2022: Nach jahrelangen Diskussionen hat der Stadtrat jetzt eine Lösung für alle Beteiligten gefunden. Die Wassersportzeit an der Floßlände wird ab 2022 während der Floßsaison von Mai bis September bei Tageslicht von bisher 5,5 Stunden auf bis zu 15 Stunden täglich erhöht. Möglich wird dies dadurch, dass nachts vermehrt Wasser im Werkkanal belassen wird und so im Isarwerk 1 Strom erzeugt werden kann, während tagsüber die eingesparte Wassermenge für den Freizeitsport bereitgestellt wird. Damit werden die Surf- und Kanuzeiten fast verdreifacht, ohne dass die Stromerzeugung belastet wird.
Wellensurferin (Sommer 2017)
Auf dem Floßkanal kamen auch die Floßfahrer an. Da hieß es für die Surfer: Den Weg freimachen! Auch 2021 wurde das feuchtfröhlichen Floßfahrten auf der Isar wegen Corona-Gefahr abgesagt.
Das waren Zeiten (Sommer 2017)!
Zu dieser Jahreszeit gibt es allerdings nichts zu sehen. Der Floßkanal ist zu einem Rinnsal geschrumpft.
Im Herbst nur ein Rinnsal
Weil es also hier nichts zu sehen gibt, ziehe ich weiter zum nahe gelegenen Campingplatz Thalkirchen, dessen Lage mit „traumhaft“ zu beschreiben fast eine Untertreibung ist. Der Tierpark Hellabrunn ist in unmittelbarer Nähe, das Freibad Maria Einsiedel mit Flusslandschaft und beheiztem Becken nur wenige Minuten zu Fuß entfernt und die U-Bahn zur Münchner Innenstadt auch nicht viel weiter. Und man befindet sich mitten im Landschaftsschutzgebiet der südlichen Isarauen.
Freilich ist auch hier zurzeit nicht viel los. Die 300 Zeltplätze sind völlig verwaist, dafür reihen sich stellenweise Wohnmobile an Wohnmobile: Von altmodischen Campingbussen bis zu Alkovenmobilen (die mit Bettnische über der Fahrerkabine) ist alles zu sehen, Tendenz teure Kolosse.
Auf dem Thalkirchner Campingplatz
Wenn ich ehrlich bin, deprimieren mich diese rollende Eigenheimimitate, die zwar Autonomie bieten oder zumindest suggerieren, aber den Reisenden etwas Wesentliches wegnehmen, nämlich das Erlebnis immer neuer interessanter Interieurs in fremden Ländern. Aber was gilt (nur, um ein Beispiel zu nennen) eine ursprüngliche Wohnung mit Patio in Andalusien im Vergleich mit dem Aufenthalt auf kleinem Raum und der Nutzung einer eigenen winzigen Plastiktoilette?
Es ist aber alles eine Frage der Perspektive. Ich komme in Kontakt mit einem Paar aus dem Südschwarzwald, das vor Glück nur so strahlt: Aufstehen und sofort den Fluss vor Augen haben; auf Tuchfühlung mit den Herbstfarben dieses Landschaftsschutzgebiet zu sein; die Ruhe der späten Jahreszeit; das mitgebrachte kleine aber traute „Zuhause“!
Terrasse der Gaststätte „Der Bartl“
Was mich betrifft, so bin ich fasziniert von der vom herbstlichen Bayern umgebenen saisonbedingten Leere des Ortes. Die überdachte Terrasse mit ihrem direkten Blick auf den Isarwerkkanal der Gaststätte habe ich für mich allein, wenn auch nur mit dem beschränkten Angebot des Imbissladens.
Der Imbisskiosk
Es ist etwas zu kühl, um länger draußen zu sitzen, so kehre ich zurück zum Isarwerkkanal und spaziere weiter nach Norden.
Am Gelände des Cowboy-Club München komme ich kurz danach vorbei. Der 1913 gegründete Club, der ursprünglich das Ziel hatte, von den Gewinnen aus Lotterieteilnahmen in die Vereinigten Staaten auswandern zu können, befindet sich seit 1961 auf diesem Gelände zwischen Zentrallände und Isar-Werkkanal. Am 22. Juli 1961 wurde unter Beisein des cowboyhuttragenden Münchner Oberbürgermeisters Hans Jochen Vogel und dem Lieutenant Colonel der US-Army Charles E. Gilbert der Grundstein gelegt.
Der Saloon (Foto von Isar-Cowboy, CC BY-SA 4.0)
Auf dem Gelände wurde mit Unterstützung der US-Army eine Ranch, eine Reitbahn sowie ein originalgetreuer Saloon errichtet. Im Außenbereich um das Saloongebäude befinden sich Zelte und Tipis. Einmal im Jahr werden an einem „Tag der offenen Tür“ die Pforten für die Öffentlichkeit geöffnet.
Fünfzig Meter weiter und ich stehe vor einem verzauberten Märchenhaus. Die Fassade ist fast komplett in Efeu und wildem Wein eingewachsen, wenn auch die Ranken des Letzteren bereits leer sind. Ein paar Wochen früher und ich hätte ein impressionistisches Bild in roten und dunkelgrünen Tönen vor Augen gehabt.
Das ehemalige Schleusenwärterhäuschen
Es handelt sich um das ehemalige Schleusenwärterhäuschen an der Floßlände. Bis in die 1970er-Jahre hat in diesem, heute denkmalgeschützen Haus der Wärter die Schleuse des Isarkraftwerks bedient. Bis 2009 lebte hier in unmittelbarer Nähe zur Marienklausenbrücke die Witwe des ehemaligen Schleusenwärters. Seit 2011 wohnt im unter Denkmalschutz stehende Haus ein Paar, das wohl den einzigen Nachteil hat, das ihr Zuhause zum Fotoobjekt von Tausenden von Spaziergängern geworden ist.
In der Sprache der Architekten: Es handelt sich um einen eingeschossigen Satteldachbau mit schlichter Putzgliederung, Satteldachgauben und Eingangsbaldachin, im barockisierenden Heimatstil (von August Blößner, 1906–08).
Die Marienklausenbrücke bringt mich über den Isarwerkkanal. Möchte ich meinen Spaziergang verlängern, könnte ich auf dieser Brücke auch die Isar überqueren und an deren östlichem Ufer Richtung Süden marschieren. Das würde aber den Rückweg um einige Kilometer verlängern.
Blick von der Marienklausenbrücke auf die Isar
So entscheide ich mich für das Ostufer des Werkkanals.
Bis zum Kraftwerk ist die Böschung zum Kanal sehr dicht bewachsen. Will ich das Kraftwerk sehen, muss ich mich zwischen Gebüschen und niedrigen Bäumen zwängen. Erst dann kann ich die Nordseite des denkmalgeschützten Gebäudes sehen, dessen architektonische Gestaltung ebenfalls nach den Plänen des damaligen leitenden Ingenieurs des Stadtbauamts, August Blößner entstand. Es ist ohne Zweifel ein sehr schöner Anblick! Perfekte Integration von Natur und Architektur.
Isarwerk 1 (Nordseite)
Der Rückweg auf dem Damm zwischen dem Isarwerkkanal und der Isar ist ein ganz besonderes Erlebnis. Die späte Nachmittagstunde (es ist bereits 17 Uhr) hat die Leuchtkraft des „goldene“ Oktoberlichts deutlich gesteigert. Schaue ich nach links, öffnet sich mir das breite Tal der Isar mit seinen von Licht und langen Schatten gemusterten Kiesbänken. Rechts sind die Bilder noch beeindruckender: Die Allee am gegenüberliegenden Kanalufer liegt in vollem Gegenlicht. So steigern sich die Farben der Blätter zu einer intensiven Sättigung, und zwischen ihnen glitzern die Sonnenstrahlen wie Sternschnuppen.
Der Isarwerkkanal (von Osten gesehen)
Die Sonne ist kurz davor, unterzugehen. Die Silhouette des in die Ferne schauenden Isarflößers vor der Abzweigung des Floßkanals und der Conwentzbrücke in Hintergrund erfüllen mich mit großer innerer Ruhe und gleichzeitig mit undefinierbaren Sehnsüchten.
Der Isarflößer
Grün in München: Plätze, Parks und Paradiese | |
Münchens Natur hat viel mehr zu bieten als den Englischen Garten und den Nymphenburger Park. Die Autoren porträtieren in diesem Buch über 100 Grünanlagen und Naturschutzgebiete innerhalb der Stadtgrenzen. Neben der Darstellung von Gärten, Parks, Spielplätzen, Friedhöfen und der schönsten Isarabschnitte wird Wissenswertes zur Geschichte, zur Landschaftsarchitektur und zur Ökologie vermittelt. | |