MÜNCHNER  SPAZIERGÄNGE

STAND: JANUAR 2024


AM HINTERBRÜHLER SEE


16. OKTOBER 2021

Der Hinterbrühler See gehört zu meinen Lieblingsausflugszielen. Landschaftlich ist er in jeder Jahreszeit eine Idylle. Im Herbst aber unschlagbar schön! Beschaulich (meist auch am Wochenende) und im Sommer anregend, wenn ab dem frühen Nachmittag die Isar­flöße auf dem Floßkanal vorbeirauschen. Absolut sehenswert!

Mit den Öffentlichen kommt man mit der U-Bahn Linie U3 bis Thalkirchen, von dort aus Weiterfahrt mit dem Bus 135 (Richtung Solln) bis zur Haltestelle Hinterbrühl.

Mit dem Auto fährt man die Zentralländstraße Richtung Campingplatz Thalkirchen, 300 Meter weiter liegt bereits Hinterbrühl (im Navi am besten Conwentzstr. 1 ein­ge­ben). Gegenüber der Bushaltestelle befindet sich ein klei­ner Parkplatz. In der Conwentzstraße sind (zumindest wäh­rend der Woche und/oder sehr früh am Tag) die Chancen auf einen Parkplatz relativ gut. Für alle Fälle gibt es am Campingplatz Thalkirchen  kosten­pflich­tige Park­plätze. Von dort sind es etwa 700 m bis zum See.

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Von der Conwentzstraße führt eine kleine Brücke (Mit Nepomuk-Statue) über den Floßkanal. Von dort geht man rechts bis zur Abzweigung des Floßkanals vom Isar­werk­kanal. Dort steht die monu­mentale Statue „Der Isarflößer“. Das Werk des deutschen Bild­hauers Fritz Koelle  ist als Baudenkmal in die Baye­rische Denk­mal­liste eingetragen.

Der Isarflößer

Koelle schuf die Figur in den Jahren 1938 bis 1939 in seinem cha­rakte­ris­tischen Stil monu­mentaler Ar­bei­terfi­guren. Man sieht in aller Deut­lich­keit der Versuch des Künstlers, sich an den vor­gege­benen Kunst­ge­schmack jener Zeit anzupassen.

Der Hinterbrühler See

Wenn man vom Isarflößer zunächst am Floßkanal ent­lang, dann am linken Seeufer nach Norden geht, kommt man nach etwa 200 Metern zu einem kleinen Biergarten, eigentlich nur ein Kiosk mit etwa 20 Tischen. Den „Seehaus-Kiosk“ zähle ich zu den gemütlichsten und urigsten Ausflugszielen an der Münchner Isar.



Der Seehaus-Biergarten

Sommer wie Winter bekommt man hier Kaffee und Kuchen, ein­fache warme Im­bisse und selbst­ver­ständ­lich auch Bier. Die Öf­fnungs­zeiten variieren hier etwas und sind sehr von den Wet­ter­vorher­sagen abhän­gig. Währen der COVID-Pandemie war der kleine Bier­garten leider ge­schlossen. Gegenüber des Kiosks (am See) kann man normaler­weise in den Sommer­mona­ten Tret­boote ausleihen.

Bootshaus am See

Da der Biergarten geschlossen ist, muss ich leider auf den gemütlichsten Teil des Spaziergangs verzichten. Ich spa­ziere weiter nach Norden am Westufer des kleinen Sees.

Der Hinterbrühler See (vom Ostufer gesehen)

An die nördliche Seespitze angekommen, setze ich meinen Spaziergang am Isarwerkkanal Richtung Norden fort. Es fehlen nur noch wenige Hundert Meter bis zum Kraftwerk Isarwerk 1.

Links des Weges wundert es mich, die Rasenflächen eines Golfplatzes zu sehen. Denn ich dachte, dass sich der Golfplatz München 1 (Thalkirchen) nur westlich der Zentralländstraße befände.

Golfclub-Rasenfläche

In der Tat ist das östlich der Zentralländstraße zwischen Floßkanal und Werk­kanal liegende städti­sche Grund­stück (Flurnummer 489/11) fast ein Dorn im Auge in dieser schönen Landschaft. Statt Schilder mit der Auf­schrift „Golfplatz – Zutritt nur für Spieler“ könnte man sich hier ein öf­fent­lich zugäng­li­ches Grün vor­stellen. Das Münch­ner Forum e. V., ein gemeinnütziger Verein, das sich für grö­ßere Bür­ger­be­tei­ligung in der Stadtplanung einsetzt, könnte sich für das gesamte Areal des Golfclubs (also auch für das Grund­stück westlich der Zen­tral­länd­straße) auch eine Re­na­tu­rierung vorstellen.

Leider hat der Verein vor Kurzem eine wichtige Schlacht gegen den Golfclub verloren. Denn die Stadt Mün­chen hat sich bereit erklärt, den bis Ende 2024 lau­fenden Pacht­ver­trag mit dem Münch­ner Golf­club vor­zeitig bis zum Jahr 2030 zu ver­längern. Denn, so die Begründung, „die fach­ge­rechte Pflege natursensibler Bereiche sei nunmehr ge­währ­leistet“. Kompliment! Gute Lobbyarbeit!

Am Isar-Werkkanal (Richtung Norden)

Das Isarwerk 1 ist ein Laufwasserkraftwerk an der Isar. Genauer gesehen liegt das Kraftwerk nicht direkt an der Isar, sondern an dem westlich der Isar verlaufenden etwa 12 km langen Isar-Werkkanal. Es ist das älteste noch betriebene Isarkraftwerk in München. Betrieben wird das Kraftwerk von den Stadtwerken München. Das Ge­bäude ist als Baudenkmal in die Bayerische Denkmalliste eingetragen.

Isarwerk 1 (Südseite)

Bald bin ich an der Stelle, wo der Floßkanal, der Ende des 19. Jahrhunderts für die Flößerei auf der Isar gebaut wurde, sich zur Floßlände (Zentrallände) weitet. An der Einmündung bildet das Wasser des Kanals (wenn es die Stadtwerke erlauben) eine ste­hende Welle, auf der gerne gesurft wird. Die Floßländewelle war der Ur­sprung des „Riversurfing“ nicht nur in München, sondern weltweit. 1972 hatten die Brüder Pauli die Welle im Isar-Floßkanal entdeckt, auf der man „reiten“ konnte, ganz ohne Seil.

Während der Rummel am Eisbach im Englischen Garten aber immer größer wurde, wurde es an der Floß­lände immer ruhiger, denn die Stadt­werke Mün­chen lei­teten immer weni­ger Wasser in den Länd­kanal, um mehr Wasser für ihre Kraftwerke zu nutzen. 2014 kam es zum Stillstand.

Monatelang testeten die Stadtwerke mit verschiedenen Was­ser­mengen. Durch einen technischen Einbau konnte schließlich die Welle gesichert werden. Dennoch ist der Streit zwischen den Stadtwerken und den Surfern ein Dauerthema. Bis 2019 lief die Welle unter der Woche nur nachmittags. Mit Ober­bür­germeister Dieter Reiter haben die Münchner Surfer einen großen Fürsprecher. Die Welle läuft zwi­schen Mai und Sep­tember nur tagsüber zu bestimmten Zeiten. Die künstliche Welle befindet sich direkt unter einer Brücke, von der aus man das Treiben gut beobachten kann.


UPDATE April 2022: Nach jahrelangen Diskussionen hat der Stadtrat jetzt eine Lösung für alle Be­tei­ligten ge­fun­den. Die Wassersportzeit an der Floßlände wird ab 2022 während der Floßsaison von Mai bis Sep­tember bei Tageslicht von bisher 5,5 Stunden auf bis zu 15 Stunden täglich erhöht. Möglich wird dies dadurch, dass nachts vermehrt Wasser im Werk­ka­nal belassen wird und so im Isarwerk 1 Strom erzeugt werden kann, während tags­über die ein­ge­spar­te Was­ser­men­ge für den Frei­zeit­sport bereitgestellt wird. Damit werden die Surf- und Ka­nu­zeiten fast verdreifacht, ohne dass die Strom­er­zeugung belastet wird.


Wellensurferin (Sommer 2017)

Auf dem Floßkanal kamen auch die Floßfahrer an. Da hieß es für die Surfer: Den Weg freimachen! Auch 2021 wurde das feuchtfröhlichen Floßfahrten auf der Isar wegen Corona-Gefahr abgesagt.

Das waren Zeiten (Sommer 2017)!


Zu dieser Jahreszeit gibt es allerdings nichts zu sehen. Der Floßkanal ist zu einem Rinnsal geschrumpft.

Im Herbst nur ein Rinnsal

Weil es also hier nichts zu sehen gibt, ziehe ich weiter zum nahe gelegenen Campingplatz Thalkirchen, dessen Lage mit „traumhaft“ zu beschreiben fast eine Untertreibung ist. Der Tierpark Hellabrunn ist in unmittelbarer Nähe, das Freibad Maria Einsiedel mit Flusslandschaft und be­heiz­tem Becken nur wenige Minuten zu Fuß ent­fernt und die U-Bahn zur Münchner Innenstadt auch nicht viel weiter. Und man befindet sich mitten im Land­schafts­schutz­gebiet der südlichen Isarauen.

Freilich ist auch hier zurzeit nicht viel los. Die 300 Zelt­plätze sind völlig verwaist, dafür reihen sich stel­len­wei­se Wohn­mo­bile an Wohnmobile: Von altmodischen Cam­ping­bussen bis zu Alko­ven­mo­bilen (die mit Bett­ni­sche über der Fahrer­kabine) ist alles zu sehen, Ten­denz teure Kolosse.

Auf dem Thalkirchner Campingplatz

Wenn ich ehrlich bin, deprimie­ren mich diese rol­lende Ei­gen­heim­imi­tate, die zwar Auto­nomie bieten oder zu­mindest sugge­rieren, aber den Reisen­den etwas We­sent­liches wegnehmen, nämlich das Erlebnis immer neuer interessanter Interieurs in fremden Ländern. Aber was gilt (nur, um ein Beispiel zu nennen) eine ur­sprüng­liche Wohnung mit Patio in Andalusien im Vergleich mit dem Aufenthalt auf kleinem Raum und der Nutzung einer eigenen winzigen Plastiktoilette?

Es ist aber alles eine Frage der Perspektive. Ich komme in Kontakt mit einem Paar aus dem Südschwarzwald, das vor Glück nur so strahlt: Aufstehen und sofort den Fluss vor Augen haben; auf Tuchfühlung mit den Herbstfarben dieses Landschaftsschutzgebiet zu sein; die Ruhe der späten Jahreszeit; das mitgebrachte kleine aber traute „Zuhause“!

Terrasse der Gaststätte „Der Bartl“

Was mich betrifft, so bin ich fasziniert von der vom herbstlichen Bayern umgebenen saisonbedingten Leere des Ortes. Die überdachte Terrasse mit ihrem direkten Blick auf den Isarwerkkanal der Gaststätte habe ich für mich allein, wenn auch nur mit dem beschränkten Angebot des Imbissladens.

Der Imbisskiosk

Es ist etwas zu kühl, um länger draußen zu sitzen, so kehre ich zurück zum Isarwerkkanal und spaziere weiter nach Norden.

Am Gelände des Cowboy-Club München komme ich kurz danach vorbei. Der 1913 gegründete Club, der ursprüng­lich das Ziel hatte, von den Gewinnen aus Lotte­rie­teil­nahmen in die Vereinigten Staaten auswan­dern zu können, befindet sich seit 1961 auf diesem Gelände zwischen Zen­tral­lände und Isar-Werkkanal. Am 22. Juli 1961 wurde unter Beisein des cow­boy­hut­tra­genden Münchner Ober­bür­ger­meisters Hans Jochen Vogel und dem Lieu­te­nant Colo­nel der US-Army Charles E. Gilbert der Grundstein gelegt.



Der Saloon (Foto von Isar-Cowboy, CC BY-SA 4.0)

Auf dem Gelände wurde mit Unterstützung der US-Army eine Ranch, eine Reitbahn sowie ein ori­gi­nal­ge­treuer Saloon errichtet. Im Außen­bereich um das Saloon­ge­bäu­de befinden sich Zelte und Tipis. Einmal im Jahr wer­den an einem „Tag der offenen Tür“ die Pforten für die Öffent­lich­keit geöffnet.

Fünfzig Meter weiter und ich stehe vor einem ver­zau­ber­ten Märchenhaus. Die Fassa­de ist fast komplett in Efeu und wildem Wein ein­gewach­sen, wenn auch die Ranken des Letz­teren bereits leer sind. Ein paar Wochen früher und ich hätte ein impres­sio­nis­tisches Bild in roten und dunkel­grünen Tönen vor Augen gehabt.

Das ehemalige Schleusenwärterhäuschen

Es handelt sich um das ehemalige Schleu­sen­wär­ter­häus­chen an der Floßlände. Bis in die 1970er-Jahre hat in diesem, heute denk­mal­ge­schützen Haus der Wärter die Schleuse des Isar­kraft­werks bedient. Bis 2009 lebte hier in un­mit­tel­barer Nähe zur Marien­klau­sen­brücke die Witwe des ehe­maligen Schleu­sen­wär­ters. Seit 2011 wohnt im unter Denk­mal­schutz stehende Haus ein Paar, das wohl den ein­zigen Nachteil hat, das ihr Zuhause zum Foto­objekt von Tausen­den von Spaziergängern geworden ist.

In der Sprache der Architekten: Es handelt sich um einen eingeschossigen Satteldachbau mit schlichter Putz­glie­de­rung, Sat­tel­dach­gau­ben und Ein­gangs­bal­da­chin, im ba­ro­cki­sie­renden Hei­matstil (von August Blößner, 1906–08).

Die Marienklausenbrücke bringt mich über den Isar­werk­kanal. Möchte ich meinen Spaziergang verlängern, könnte ich auf dieser Brücke auch die Isar über­queren und an deren östli­chem Ufer Richtung Süden mar­schie­ren. Das würde aber den Rückweg um einige Kilo­meter verlängern.

Blick von der Marienklausenbrücke auf die Isar

So entscheide ich mich für das Ostufer des Werkkanals.

Bis zum Kraftwerk ist die Böschung zum Kanal sehr dicht bewachsen. Will ich das Kraftwerk sehen, muss ich mich zwischen Gebüschen und niedrigen Bäumen zwän­gen. Erst dann kann ich die Nordseite des denk­mal­ge­schütz­ten Gebäudes sehen, dessen ar­chi­tek­to­nische Gestal­tung eben­falls nach den Plänen des dama­ligen leiten­den Inge­nieurs des Stadt­bauamts, August Blößner ent­stand. Es ist ohne Zweifel ein sehr schöner Anblick! Perfekte Inte­gration von Natur und Archi­tek­tur.

Isarwerk 1 (Nordseite)

Der Rückweg auf dem Damm zwischen dem Isar­werk­kanal und der Isar ist ein ganz besonderes Erlebnis. Die späte Nachmittagstunde (es ist bereits 17 Uhr) hat die Leuchtkraft des „goldene“ Oktoberlichts deutlich ge­steigert. Schaue ich nach links, öffnet sich mir das brei­te Tal der Isar mit seinen von Licht und langen Schat­ten gemusterten Kiesbänken. Rechts sind die Bilder noch beein­druckender: Die Allee am ge­gen­über­liegenden Kanalufer liegt in vollem Gegenlicht. So steigern sich die Farben der Blätter zu einer inten­siven Sättigung, und zwischen ihnen glitzern die Sonnen­strahlen wie Stern­schnuppen.

Der Isarwerkkanal (von Osten gesehen)

Die Sonne ist kurz davor, unterzugehen. Die Silhouette des in die Ferne schauenden Isarflößers vor der Ab­zwei­gung des Floßkanals und der Conwentzbrücke in Hin­ter­grund erfüllen mich mit großer innerer Ruhe und gleich­zeitig mit un­de­finier­baren Sehnsüchten.

Der Isarflößer

Grün in München: Plätze, Parks und Paradiese
Münchens Natur hat viel mehr zu bieten als den Eng­lischen Garten und den Nymphenburger Park. Die Autoren porträtieren in diesem Buch über 100 Grün­anlagen und Na­tur­schutz­gebiete innerhalb der Stadtgrenzen. Neben der Dar­stellung von Gärten, Parks, Spielplätzen, Friedhöfen und der schöns­ten Isarabschnitte wird Wissenswertes zur Geschichte, zur Land­schafts­ar­chi­tektur und zur Ökologie vermittelt.