MÜNCHNER  SPAZIERGÄNGE

STAND: JANUAR 2024


IN DEN KIRSCHEN


12. MAI 2020:  „In den Kirschen“ ist eine Straße und eine Grünanlage mit zahlreichen Kleingärten und einem Park mit weiten, offenen Wiesen im Münchner Westen. Im Frühling geben die vielen blühenden Kirschbäume an seinem Rand die Er­klärung für den Namen. Auf eine der Wiesen gibt es einen Hub­schrau­ber­lan­deplatz für das na­he­ge­legene Krankenhaus „Dritter Orden“.

Und genau an diesem Krankenhaus in der Franz-Schrank-Straße beginnt – eher zufälligerweise – mein Spaziergang. Denn ich hatte vor einiger Zeit die Krankenhausgebäude aus der Zeit der Jahr­hun­dertwende entdeckt, und mich hatte ins­be­son­dere ein Türmchen gefallen, dass ich un­be­dingt fo­to­grafieren wollte.

Unmittelbar an der In-den-Kirschen-Straße liegt das großes Zelt des Jugendübernachtungscamps THE TENT. Hier können Jugendliche aus aller Welt, die mit Rucksack, Handy und Notebook un­terwegs sind, eine günstige Unterkunft finden. In der Back­packer-Sze­ne erfreut sich der Camp gro­ßer Be­liebt­heit. Frei­lich ist jetzt wegen der Coro­na-Krise tote Hose. Die Or­ga­ni­sa­toren hoffen auf eine Wie­der­er­öff­nung noch im Juli.

Gleich neben dem Jugendcamp befindet sich eine Kleingartenanlage. Ich kann es mir nicht erklären, aber Schrebergärten üben seit immer eine ma­gi­sche Attraktion auf mich aus, zumindest als Zu­schauer, der nicht den ganzen Sommer lang tagaus, tagein für das Wohlhaben von Blumen, Stauden und Gemüse sorgen muss.

Spießig oder cool? In meiner Kindheit in Italien hatte uns ein Bauer, der auf dem Grund einer alten verfallenen Villa Blumen züchtete, erlaubt, auf einer kleinen Fläche Tomaten zu pflanzen. Ich kann mich nicht erinnern, ob es von Erfolg gekrönt wurde.

In Deutschland gibt es knapp eine Million Schre­ber­gärten in denen geschätzt fünf Millionen Men­schen gärtnern. Und es sind keineswegs nur äl­te­re Män­ner in Drei­vier­tel­hosen, die jäten, graben und einen darauf auf­merk­sam machen, dass die Hecke nach­geschnitten werden müsse.

Die Pächter werden immer jünger. Kleingärten sind so beliebt wie nie. In Ballungszentren ist die Nach­fra­ge so hoch, dass man Jahre auf das klei­ne Stück Gar­ten­glück warten muss.

Einge dieser Gärten sind beladen mit allerlei Kitsch: Gartenzwerge und -drachen, Fabelwesen aus Me­tall, handbemalte Katzenbabys, Keramik-Schafe, Mi­nia­tur­feen, glänzende Deko­ku­geln, Gar­ten­ste­cker mit Schmet­ter­livngen, Blumen, Zink­elfen, Wind­räd­ern, Vögel im Rost-Look und Frosch­könige. Darf ich ehr­lich sein? Ich kann mich nicht satt­sehen!

Bei aller idyllischen Gemütlichkeit sind die Regeln zahlreich und streng: Öffnungszeiten, Ruhezeiten, Mindestflächen für den Anbau von Obst und Ge­mü­se, Heckenhöhe, Verbot von Spül- und Wasch­ma­schi­nen, von Hunde- und Katzen­hal­tung. In an­de­ren Worten: Blü­ten­pracht und be­schau­li­ches Am­bien­te haben ihren Preis.

An der Gaststätte „Zur Waldhütte“ angekommen zweige ich vom Weg ab und begebe mich ins so­ge­nannte „Kapuzinerhölzl“, ein 18 Hektar großes Wäld­chen, in dem ein kleiner Teil des Lohwaldes noch bewahrt ist, der früher den Norden und Wes­ten Mün­chens umgab.

Von der Idylle in den Urwald! Ich bin völlig über­rascht, hier einen so beeindruckenden, ur­sprüng­li­chen und fast bedrohlich wirkenden Wald zu finden.

Passend zu diesem Ambiente ist ein Ereignis, das 2014 für Aufregung sorgte: Ein Leichenfund! Ein Un­bekannter fand die Tote ein Jahr nach dem Tö­tungs­delikt und in­formierte die Justiz mit einem ano­nymen Schrei­ben. Das zeigt, dass es auch in die­sem relativ klei­nen Wald Ge­biete gibt, die kaum zu­gäng­lich sind. Die Leiche wude von ihrem Mör­der – nein, nicht der Gärt­ner, sondern der Freund des Op­fers – in der Nacht unbemerkt mit seinem Auto ins Ka­pu­ziner­hölzl gebracht, komplett ausgezogen und in Em­bryo­stel­lung in einer Baum­kuhle ver­scharrt.


BUCHTIPP:

Mit seinem Buch Das geheime Leben der Bäu­me hatte Peter Wohlleben 2015 seinen größten Erfolg. Das Buch stand 2015 und 2016 an der Spitze der Best­sellerlisten, auch im Jahr danach gehörte es noch zu den be­lieb­tes­ten Sach­bü­chern. Der Autor er­zählt darin bei­spiels­wei­se von Bäu­men, die über ihr Wur­zel­sys­tem Nähr­stoffe aus­tau­schen oder Duftstoffe aussenden, um sich vor Schädlingen zu warnen.
 

An einem kleinen Par­cour für Mountainbiker vorbei ist es nur ein kurzer Weg bis zur Schragenhofstraße, die weiter nach Moosach führt. Parallel dazu ver­läuft eine Eisenbahnstrecke und dahinter be­fin­det sich der Hartmannshofer Park, in dem ein char­mantes Retaurant mit Biergarten, die „Fa­sa­ne­rie“, liegt, ein wahrer Geheimtipp, fernab von Tou­ris­tenströmen und städtischer Hektik.

Ich gehe nur ein paar hundert Meter die Straße entlang, dann, auf der Höhe der „Osteria antica“, biege ich wieder in den Weg „In den Kir­schen“ ein. Das Areal hat in meinen Augen nicht so sehr den Charakter eines Stadtparks, vielmehr empfinde ich es als eine offene Landschaft, die eben so gut fern­ab der Stadt zu finden wäre. Eine Landschaft der Enspannung, mit bereits sommerlich an­mu­ten­den Wiesen und vielen früh­lings­grü­nen Laub­bäumen.

Mein Weg zurück führt an weiteren Kleingärten vor­bei, über eine große impressionistisch an­mu­ten­de Wiese voller lila-leuchtesem Wie­sen-Sal­bei und zum Gebäude der Berufsschule für Gartenbau und Flo­ristik.


Mir waren bereits an verschiedene Stellen des We­ges Reihen von buntbemalten Steinen auf­ge­fal­len, die den Wegesrand säumten. Ver­mut­lich eine spontane Land-Art-Aktion.

Ein klei­nes Schild mit dem Text: „Hallo Ihr Lieben, malt doch zu Hau­se einen Stein an und legt ihn dazu. Mal sehen wie lange die Schlange wird.„ fordert dazu auf, bei diesem Kunstprojekt mit­zumachen.

Am Anfangspunkt meines Spaziergangs weist eine Tafel auf die Friedens-Meile hin, die 1986 vom Sri Chinmoy Marathon Team gestiftet und von der Stadt München in der Parkanlage "In den Kirschen" eingerichtet wurde. Sie soll Symbol und Inspiration für das Streben aller Menschen nach Frieden sein. Die Friedens-Meile ist ein schön gelegener, flacher Rundkurs mit befestigte Wege im sehr guten bis guten Zustand.


BUCHTIPP:

Wie findet und pachtet man eine Par­zelle? Wo gibt es das rich­tige Saat­gut und welche Pflanzen­pflege kann man noch nach Feier­abend schaffen? Sachkundig und mit viel Humor be­schreibt die Autorin wich­tige Arbeiten für Gar­ten­neu­linge von Januar bis Dezember. Ihre praktischen Tipps reichen von der Schne­cken­bekämpfung bis zum harmonischen Miteinander mit den Ger­tennachbarn. Das Buch Abenteuer Garten: Mein erstes Jahr im Schre­bergarten ist der richtige Begleiter für alle, die das grüne Abenteuer wagen wollen.


BUCHTIPP:

Das Buch München mit anderen Augen sehen sammelt 23 ganz besondere Touren, erzählt von Orten, die eine ganz besondere Bedeutung haben, vom früheren Hasenjagdrevier der Kurfürsten zu einer Gedenktafel für einen Widerstandskämpfer, zu einem Pilgerweg, der an Schloss Schleißheim vorbeigeht, zur über 800 Jahre alte Heilig-Kreuz-Kirche und vielem mehr
 


BUCHTIPP:

Wenn man sein Glück in Mün­chen sucht, muss man nicht lan­ge herumlaufen. Es ist zu fin­den in verwunsche­:nen Innen­hö­fen, urigen Kneipen und gemütlichen Kinos. Das Buch Glücksorte in München ist eine Einladung zum Besuch von kulturellen, politischen, künstlerischen und sportlichen Orten, die uns das gute Gefühl geben, richtig zu sein. In dieser Stadt sitzt das Glück wirklich an jeder Ecke. Manchmal muss man nur den Stuhl ein bisschen verrücken, das Herz öffnen und sich auf seine Sinne verlassen.