Wenn ich von Zeit zu Zeit an einem bestimmten – egal welchen – Optikerladen vorbeigehe, muss ich mit Erstaunen feststellen, dass dessen Schaufenster jedes Mal völlig anders gestaltet ist und nicht selten eine Dekoration aufweist, die durch außergewöhnlichen Ideenreichtum auffällt. Die Erklärung ist offensichtlich: Die Dichte an Optikern ist in den großen Städten derart groß und der Wettbewerb entsprechend brutal, dass neben dem Preiskampf das Ändern der Schaufensterdekoration zu einem Muss geworden ist, einem absolut notwendigen Instrument des Marketings.
Das Schaufenster hat dabei die Aufgabe, einen Einblick in die Produktwelt des Geschäfts zu geben und dem Passanten zu zeigen, was ihn im Inneren des Geschäfts erwartet. Entscheidend ist vor allem, Aufmerksamkeit zu erzeugen, Bedarf zu wecken und eine Geschichte zu erzählen.
Ein potenzieller Kunde erfasst ein Schaufenster nur für 2 Sekunden, schafft dieses in dieser Zeit nicht, seine Aufmerksamkeit auf die Waren zu ziehen, geht der Passant weiter. Das lässt sich durch eine professionelle Schaufensterdekoration entscheidend verbessern. Eine ansprechende Warenpräsentation und der Einsatz von Blickfängen ist die Voraussetzung für ein schönes Schaufenster.
Wer möglichst viele Passanten ansprechen möchte, sollte auf eine gute Fern- und Nahwirkung achten. Mit einfachen Grafiken, kräftigen Farben und starkem Lichteinsatz muss das Schaufenster schon von Weitem aus der Masse herausstechen.
Die Farbe Rot ist eine Aufmerksamkeit erregende, lebhafte und heiße Farbe, die mit Leidenschaft, Energie, Liebe und Wärme assoziiert wird. Es ist unmöglich, nicht hinzusehen.
Fantasie ist gefragt und die Ergebnisse sind manchmal derart erstaunlich, von interessant bis humorvoll, dass die Schaufenster der Optikergeschäfte in meinen Augen fast zu einer sich ständig ändernden Kunstausstellung geworden sind.
Das Schaufenster ist ein wichtiges Werbemedium, das nach den selben Grundsätzen und ähnlichen Kriterien gestaltet wird wie Werbeplakate oder Prospekte.
Eine Schaufensterdekoration darf auch kontrastreich sein, jedoch gilt immer das Motto „weniger ist mehr“. Bei einem zu überladenen Schaufenster wird der Kunde nämlich meist eher nicht dazu verleitet, den Laden aufzusuchen, weil das Auge überfordert ist und er sich wieder abwendet.
Manchmal kann die Zusammenstellung der Deko-Elemente äußert schlicht sein und doch ein „Eye catcher“ sein. Wichtig kann es auch sein, dass das Schaufenster offen ist, also den Blick auf das Geschehen im Verkaufsraum freigibt. So wird der gesamte Verkaufsraum zum „Schauraum“.
Die Aufmerksamkeit der Passanten kann auch durch bunte Farben und dem „Niedlichkeit“-Effekt erreicht werden. Der Kontext ist ebenso zu berücksichtigen. Viele Faktoren wie die Enge der Straße und die Anzahl weiterer konkurrierender Auslagen tragen dazu bei, ob ein Geschäft „sichtbar“ ist oder nicht.
Weshalb insbesondere die Schaufenster von Augenoptikern von großer Kreativität gestaltet sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Es scheint eine Branche für sich zu sein, die das Gesehen-Werden am meisten benötigt.
Obwohl bisher mein Kaufverhalten dadurch nicht beeinflusst wurde, habe ich mir angewöhnt, bei meinen Strifzügen durch die Stadt meine Aufmerksamkeit verstärkt und mit großem Vergnügen auf Brillenläden zu fokussieren.
Die Verwendung einer Frauenfigur in grüner Kleidung im Schaufenster eines Augenoptikers könnte darauf abzielen, eine emotionale Verbindung zu potenziellen Kunden herzustellen. Die Farbe Grün kann für Gesundheit, Natur und Wohlbefinden stehen und somit mit den Leistungen eines Augenoptikers in Verbindung gebracht werden. Wohl kann die Farbe Gün auch unnatürlich erscheinen, aber gerade deshalb die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Ich beabsichtige keineswegs, in diesem Blog-Beitrag Werbung zu machen, aber das Geschäft „Pupille Optik“ möchte ich dennoch nennen, denn es ist für seine kreative Schaufensterkunst berühmt. Es ist für mich eine Freude, jedes Mal wenn ich am Gärtnerplatz vorbeikomme, in diesem Laden neue Dekorationsideen entdecken zu können.
Freilich ist beim Betrachten der Schaufenster das Tema „Werbung“ für mich nebensächlich. Ich erfreue mich lediglich an Ideen und Gestaltungen, als würde ich ein Kunstobjekt im Museum betrachten. Wenn mich nicht irgendein Gestaltelement besonders darauf hinweist, befasse ich mich nicht mit der Psychologie des Verkaufens. Selbstverständlich weiß ich, dass aus einer Dekoration mit einer Werbefigur eine komplette, zielführende Werbeaktion wird, die das Schaufenster zu einem vollwertigen Werbemedium macht.
Wenn eine derart schöne und elegante Frau hier kaufen würde, kann ich das auch tun, das ist die Aussage der folgenden Komposition.
Auch das Durch-den-Kakao-Ziehen berühmter Politiker kann ein Weg sein, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Kaum jemand, der an diesem Geschäft vorbei kommt und nicht wenigstens einen Blick auf diese humorvolle Szene wirft.
Das Schöne an an dieser Art von Themenspaziergängen ist, dass sich nichts wiederholt. Die selbe Dekoration bleibt nie lange in einem Schaufenster. Das liegt an der Natur von Werbung, dass sie immer wieder überraschen muss.
Manchmal ist ein Schaufensterspaziergang durch München – vorausgesetzt, man hat keine „Shopping“-Absichten – genau das Richtige, um die Seele baumeln zu lassen.