VOM POSCHINGER WEIHER ZUR AUENSIEDLUNG
18. JANUAR 2021: Ein eiskalter, grauer Wintertag. Leichter Schneefall. Es zieht mich weg von den vermutlich stark besuchten innenstädtischen Grünflächen – eigentlich könnte ich heute „Weißflächen“ sagen – in die Gegend zwischen Unterföhring und Schwabing-Freimann, dort, wo die Isarauen ursprünglicher sind.
Mit dem Auto ist der Poschinger Weiher schnell zu erreichen. Von der Münchner Freiheit ist es eine knappe Viertelstunde. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist es zwar einfach, es bedarf aber etwas mehr Zeit. Mit der U-Bahn U6 (beispielsweise vom Marienplatz) fährt man nach Norden in Richtung Garching und steigt an der Station Studentenstadt aus. Von dort nimmt man den Bus 231 nach Ismaning und steigt in Unterföhring, Kanal aus. Von dort sind es dann nur noch 600 m (aber das bereits in schöner Landschaft) bis zum Poschinger Weiher.
In dieser Jahreszeit ist der Poschinger Weiher eher unauffällig. Die Wasserfläche ist zum großen Teil zugefroren und mit Schnee bedeckt. Die offenen Stellen bilden aber interessante Muster. Die Laubbäume des Ufers sind nackt und gespenstisch.
Am Poschinger Weiher
Man kann sich die Lieblichkeit dieses Ortes in der schönen Jahreszeit kaum vorstellen, wenn die kleine Wirtschaft geöffnet ist, die Tische des – ebenfalls kleinen – Biergartens voll sind und sich Kinder im lauen Wasser des Weihers vergnügen.
Der Poschinger Weiher im Sommer
Der Poschinger Weiher (eigentlich Unterföhringer See), ein Bestandteil des Landschaftsschutzgebiets Isartal, ist als Baggersee nach dem Ersten Weltkrieg durch Kiesabbau für den Bau des Mittlere-Isar-Kanals entstanden. Im See liegt eine kleine Vogelschutzinsel.
Die verwaiste Seewirtschaft
Nahe am See befinden sich die zwei Unterföhringer Schuttberge aus dem Zweiten Weltkrieg. Hier wurden Trümmer vor allem aus Schwabing abgeladen. Der niedrigere Hügel erhebt sich zwischen dem See und der Isar und ist ein beliebtes Ziel von Mountainbikern. Der höhere liegt nördlich des Sees und bietet eine schöne Aussicht auf München. Freilich hat man bei dem heutigen Wetter keine Chance, etwas zu sehen. Also gehe ich direkt bis zur Isar.
Der Isarsteg Unterföhring
An der Isar angekommen ist es nur noch eine kurze Strecke nach Norden bis zum Isarsteg Unterföhring. An dieser Stelle ist die Isar die Grenze zwischen der Gemeinde Unterföhring und München (Stadtteil Schwabing-Freimann). Siehe die Karte der Stadtteile Münchens.
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An der anderen Seite der Isar erwartet mich eine lange gerade Strecke (etwa 800 m) in Richtung Westen (hin zur Freisinger Landstraße).
In den nördlichen Isar-Auen
Diese Strecke hat es bei diesem Wetter an sich. Der graue Himmel und der Schnee erwecken den Eindruck, man bewege sich in einer Schwarz-Weiß-Landschaft, wie sie in der Fotografie früherer Zeiten gerne dargestellt wurde: abstrakt, kontrastreich, „vintage“. Nur die Farben mancher Anoraks von Spaziergängen unterbrechen für kurze Zeit diese Monotonie. Seitlich des Weges gleicht der Auwald mit seinem Wildwuchs einer undurchdringlichen Urlandschaft. Weit weg ist die gepflegte „englische“ Landschaft des Englischen Gartens.
Kaum zu glauben, dass ich mich nur wenige hundert Meter entfernt vom Klärwerk Unterlappen befinde, und dass dahinter eine modern-hässliche Welt von Autobahn (A9), Betriebshöfen und Parkplätzen auf mich warten würde. Letztere jene der berühmten Allianz-Arena. Ein Flächenfraß, der nur zu ertragen ist, weil es inmitten der Moderne immer noch geschützte Inseln der Natur gibt, die wie in einem Fleckerlteppich da und dort auch innerhalb von Stadtgebieten weiter bestehen.
Am Ende des Weges passiere ich eine (offene) Schranke, biege dann rechts ab, überquere den Schwabinger Bach, komme an einem kleinen Parkplatz vorbei, überquere noch den Garchinger Mühlbach und schon habe ich die kleine Auensiedlung erreicht, die zum Münchener Stadtteil Fröttmaning gehört.
Der Garchinger Mühlbach
Gleich am Ortseingang erwartet mich der imposante Bau der Freimann-Moschee. Sie wurde von 1967 bis 1973 als siebente Moschee in Deutschland und erste Moschee in Bayern erbaut. Die Bauarbeiten waren aufgrund fehlender finanzieller Mittel schnell ins Stocken gekommen. 1968 standen Moschee und Kulturzentrum erst im Rohbau.
Die Freimann-Moschee
1973 schoss schließlich Libyen die zur Fertigstellung fehlenden Gelder zu. Die Baukosten wurden von vierzehn islamischen Staaten finanziert. Die Planung wurde von Architekt Osman Edip Gürel zusammen mit seiner Frau, der Innenarchitektin Necla Gürel, durchgeführt. Die Moschee wurde als parabelförmige Schalenkonstruktion mit einem frei stehenden, 33 Meter hohen Minarett ausgeführt.
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Ausschnitt des Minaretts
Als ich die Auensiedlung, an dessen Rande sich die Moschee befindet, erforsche, bekomme ich wieder den Eindruck, den ich bereits in den Isar-Auen hatte. Dass nämlich diese kleine Siedlung, die aus einer überschaubaren Anzahl niedlicher, idyllisch um einen kleinen Weiher angeordneter Einfamilienhäuser besteht, wie ein kleines Dorf irgendwo in der „heilen Welt“ des „tiefen“ Bayerns aussieht, tatsächlich aber in unmittelbarer Nähe des genannten Klärwerks liegt und der „nicht heilen“ Welt von Werbegebiet und Zersiedlung.
Die Auensiedlung liegt im Stadtteil Fröttmaning, einem Ort, den es faktisch gar nicht mehr gibt, denn sein historischer Kern wurde in den 1960er-Jahren (mit Ausnahme der Heilig-Kreuz-Kirche) unter einem Müllberg begraben, dem heutigen Fröttmaninger Berg. Dieser ist nichts anderes als das renaturierte Deponiegelände. Die Auensiedlung, die erst nach dem Krieg entstanden ist, ist heute das einzige Wohngebiet in diesem Stadtteil.
Der zugefrorene kleine See der Siedlung
Die Siedlung liegt zwischen der Freisinger Landstraße und den oberen Isarauen. Sie entstand 1948 als wilde Siedlung auf dem Grund eines Fröttmaninger Bauern. Zunächst sollte diese Siedlung abgerissen werden, doch dank der Initiative der 14. Juni 1952 gegründeten „Interessengemeinschaft Auensiedlung an der Freisinger Landstraße“ legitimierte der Stadtrat die Siedlung am 16. Februar 1953 nachträglich.
Die Siedlung vor dem Fröttmaninger Berg
Es ist erstaunlich: Wenn man sich innerhalb des Ortes bewegt, merkt man optisch und akustisch kaum etwas von der „hässlichen“ Umgebung. Im Westen ist die Siedlung durch eine Lärmschutzwand und dichtem Baumbestand von der Freisinger Landstraße getrennt. Im Süden und im Osten sorgen die urwaldähnlichen Isar-Auen für Abgeschiedenheit. Im Norden verläuft zwar – in nur 100 m Entfernung – die Autobahn A99, aber diese 100 m haben den gleichen Urwaldcharakter wie der restliche Auenwald. Wenn man sich darin verirrt, könnte man denken, man sei am anderen Ende der Welt.
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