VON RAMSAU ZUM HINTERSEE
15. OKTOBER 2019
Der Hintersee bei Ramsau im Berchtesgadener Land ist einer jener idyllischen Plätze in den Bayerischen Alpen, die man unbedingt gesehen haben muss. Der türkis schimmernde Bergsee ist nicht besonders groß, aber mit etwa 2,5 Umfang groß genug, um bei einer leichten Wanderung umrundet zu werden.
Die Gemeinde Ramsau bei Berchtesgaden ist das erste offizielle Deutsche Bergsteigerdorf. Die Initiative „Bergsteigerdörfer“ stammt aus Österreich. Es wurden Orte ausgewählt, die im Schatten der großen Tourismusziele stehen und sich nicht dem immer schneller werdenden „Erschließungs-Kapital-Event-Kreisel“ angeschlossen haben. Diese Gemeinden wollen keinen Massentourismus, keine super erschlossene Skigebiete und keinen Après-Ski- Rummel.
Für einen Tagesausflug ist man (obwohl das nicht zur naturschonenden und ressourcensparenden Idee passt) aufs Auto angewiesen, denn mit Bahnen und Bussen braucht man nicht unter vier Stunden, um das Ziel zu erreichen.
Die zeitlos idyllische Pfarrkirche St. Sebastian in Ramsau, die unzählige Kalender und Postkarten ziert, ist mit aller Wahrscheinlichkeit die meistfotografierte Kirche der Bayerischen Alpen, wenn nicht sogar Deutschlands.
Bitte fotografieren
Will man das „klassische“ Foto dieser Kirche machen, ist man allerdings auf die Morgen- oder Abendstunden angewiesen, wenn keine Touristengruppen auf der kleinen Brücke über die Ramsauer Ache mit auf dem Bild zu sehen sein sollen.
Die St-Sebastian-Kirche
Eine ganze Busladung von chinesischen Touristen bringt mich fast zur Verzweiflung, denn sie besetzen ununterbrochen die besten Plätze neben, vor und auf der Brücke, um mit gestreckten Armen und Handykamera für ihre Erinnerungen zu sorgen. Um ein chinesenfreies Foto zu machen, muss ich viel Geduld haben.
BUCHEMPFEHLUNG: |
Naturwunder Bayerische Alpen |
Der neue Alpen-Bildband von Bernd Römmelt zeigt erstmals die kompletten Bayerischen Alpen in außergewöhnlichen, noch nie gesehenen Ansichten: Die Gebirgszüge stellen sich hier als wilder, unerschlossener Naturraum in überraschender Unberührtheit dar. |
Ob diese Touristen auch zu Kunden eines Souvenirladens werden, ist zu bezweifeln. Für den Aufenthalt in Ramsau ist vermutlich nicht genügend Zeit vorgesehen.
Souvenirs, Souvenirs
Die Wanderung startet beim Parkplatz an der Pfeiffermacherbrücke, gleich am Ortsausgang. Von hier folge ich dem Weg hinauf in Richtung Eckaueralm. An an der ersten Abzweigung biege ich nach rechts in den Wald ein. Der Weg führt an den Gletscherquellen und an der gleichnamigen Hütte vorbei. Ich ziehe an ihnen vorbei und bin (etwa nach einem Kilometer) an der Hinterseer Straße.
Zunächst gehe ich ein Stück die Hinterseer Straße entlang, um nach einer engen Linkskurve zu einer fantastischen Aussicht zu kommen. Vor mir eine sonnenbeschienene hügelige Wiesenlandschaft, dahinter ein imposantes Bergmassiv, die Reiter Alpe. Es handelt sich um ein bis 2286 m hohes Tafelgebirge der Berchtesgadener Alpen und zugleich um die westliche Begrenzung des Berchtesgadener Talkessels.
Die Reiter Alpe
Ich kehre auf der Hinterseer Straße etwa 300 Meter zurück bis kurz vor die Marxenbrücke. Man hätte (beispielsweise von Berchtesgaden aus) auch mit dem Bus (Linie 846) in knapp 28 Minuten bis zur Haltestelle Marxenbrücke fahren können. Direkt vor der Brücke zweigt links der Wanderweg in den Zauberwald ab, der mich durch die Marxenklamm zum Wirtshaus im Zauberwald führt.
Leberknödelsuppe
Lange will ich mich hier nicht aufhalten (es ist bereits 13 Uhr), so begnüge ich mich mit einer Leberknödel­suppe, verzichte auf den auf einer Schiefertafel vorgeschlagenen Knoblauch- Schnaps (!) und ziehe weiter. Nach wenigen Minuten komme ich zu einer Lichtung, an deren Rand sich ein Holzhäuschen befindet mit einer Miniaturmühle, an der zum Vergnügen zahlreicher Kinder niedliche Holzfiguren und Wasserspiele zu sehen sind.
Lichtung im Zauberwald
Vor Jahrtausenden hat die Natur aus riesigen Felsbrocken eine wildromantische Landschaft geformt. Vor 3500 bis 4000 Jahren brachen zwischen der Schärtenspitze und dem Steinberg ca. 15 Millionen Kubikmeter Gestein ab, entstand der Hintersee, dessen abfließende Wasser sich seitdem seinen Weg durch den sogenannten Zauberwald sucht. Er schliff sich durch die Gesteinsbrocken tief in die Erde.
Die Ramsauer Ache
Die Felsbrocken sind „Überbleibsel“ dieses Naturereignisses. Sie bilden eine beeindruckende, etwas mystische, etwas verwunschene Kulisse zwischen den Bäumen. Wenn die Sonnenstrahlen durch die Äste schimmern und das man das silbrig glänzende Wasser der Ramsauer Ache sieht, die sich teils schlängelt, teils über Steine springt und über Felsen stürzt, kann man ahnen, weshalb vom Zauberwald spricht!
Im Zauberwald
Durch dieses Stück Natur führt meist am Bach entlang und teilweise auch über Treppen und Felsen hinweg, ein schöner Pfad.
Im Zauberwald
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Wanderpapa: Familiengeschichten vom Wanderweg |
Wandern mit Kindern kann Eltern vor große Herausforderungen stellen: Der Sohn mag plötzlich nicht mehr weiterwandern, die Tochter hat Brennnesseln angefasst. In mehreren Essays erzählt der »Wanderpapa« Rémy Kappeler, wie er solche Situationen mit seiner Familie gemeistert hat. |
Die Ramsauer Ache
Endlich am Hintersee. Grünlich schimmernd liegt er vor mir, im Hintergrund das majestätische Bergpanorama der Reiter Alpe. Es ist ein bis 2286 m hohes Tafelgebirge der Berchtesgadener Alpen, die westliche Begrenzung des Berchtesgadener Talkessels. Das Kaiserwetter tut sein Übriges. Ich bin wirklich begeistert.
Hintersee und Reiter Alpe
Die gesamte Hintersee-Umrundung wäre ca. 2,5 Kilometer lang. Meist führt der Weg zwischen See und Uferstraße. Die Ausblicke sollen unvergleichlich sein. Ich komme am westlichen Ufer aber nicht weit, weil ich – es ist inzwischen schon 15 Uhr – dort kein behagliches Café finde. In ansprechendem Ambiente und möglichst bei beeindruckender Aussicht Kaffee zu trinken ist für mich bei jeder Wandertour ein ungeschriebenes Gesetz.
Der Hintersee gegen Westen
So wende ich und mache mich auf der Hirschbichlerstraße auf die Suche. Die für den Privatverkehr gesperrte Straße führt in Richtung Süden vom Hintersee (789 m) zum 6,5 km entfernten Hirschbichl-Pass (1183 m). Knapp hinter der österreichischen Grenze habe ich während eines Urlaubs in Lofer (Salzburger Land) mein „ungeschriebenes Gesetz“ im Alpengasthof Hirschbichl angewandt.
Gut zu wissen: Von Mai bis Oktober verkehrt ein Alm-Erlebnisbus von beiden Seiten über den Pass.
Ferienhaus an der Hirschbichler Straße
Ich lande auf der Terrasse des Café Alpenhof. Das Seeufer ist zwar nicht in Sichtweise, das Alpenpanorama ist trotzdem großartig.
Im Cafe Alpenhof
Ich könnte mich ewig hier aufhalten. Das Wetter ist klar, eine kleine Brise macht den Aufenthalt in der Sonne recht angenehm. Am liebsten würde ich ein Zimmer mieten und den Nachmittag für beendet erklären.
Herbst am Berg
Blick auf den Watzmann
Die Künstler der Malerkolonie am Hintersee hielten nicht nur die paradiesische Landschaft im Bilde fest. Ein besonders gefragtes Modell war der Bergführer Jakob Gruber mit seinem Charakterkopf. Der Wiener Maler Th. H. Schupp hat damals den Mann besonders gut getroffen.
Der Bergführer Jakob Gruber
Weil ich auf die Umrundung des Sees verzichtet habe, bin ich jetzt gezwungen, denselben Weg, den ich auf den Hinweg genommen habe, auch zurückzugehen. Es ist zwar der „selbe“, aber nicht der „gleiche“ Weg, denn das kontrastreiche Licht des Mittags hat längst einer sanfteren Beleuchtung Platz gemacht. So kann ich den Wald, dessen Farben, Strukturen und kleine Details noch intensiver erleben. Viel Zeit zum Fotografieren habe ich allerdings nicht.
Unberührte Natur
Als ich in Ramsau zurück bin, erhasche ich gerade noch rechtzeitig, bevor sich der Schatten über das Tal legt, eine von den letzten Sonnenstrahlen in ein Meisterwerk der Alpenmalerei verwandelte Landschaft.
Abendlicht in Ramsau
Jetzt ist aber allerhöchste Zeit, die Heimfahrt anzutreten. Mir bleibt vielleicht nur noch eine Stunde Licht!
TIPP: | |
Berchtesgaden /Bad Reichenhall/Königssee:  :Wanderkarte 1:25.000 (freytag & berndt) | |
Die Karte enthält aktualisierte Informationen zu Wanderwegen, Rad- und Mountainbikestrecken, Hütten, Naturdenkmälern, kulturellen Sehenswürdigkeiten und Freizeiteinrichtungen. |
Naturwunder Bayerische Alpen | |
Der neue Alpen-Bildband von Bernd Römmelt zeigt erstmals die kompletten Bayerischen Alpen in außergewöhnlichen, noch nie gesehenen Ansichten: Die Gebirgszüge stellen sich hier als wilder, unerschlossener Naturraum in überraschender Unberührtheit dar. | |