SCHAUFENSTER
Bitte sprechen Sie nicht von „Window-Shopping“, wir haben in der deutschen Sprache solche Neoanglizismen nicht nötig. Das wunderschöne Wort „Schaufensterbummel“ deckt den Begriff in allen seinen Bedeutungen völlig ab. „Bummeln“ ist ein Verb für ein nicht zielgerichtetes Gehen, Schlendern, Flanieren. „Shopping“, also Einkaufen, muss nicht zwangsläufig das Ziel eines Flaneurs sein. Schaufenster interagieren mit dem Leben auf der Straße und den Menschen, die an ihnen vorbeigehen. Sie sind ein wesentlicher Grund, weshalb Menschen sich gerne in die Innenstädte begeben.
Freilich ist es der Zweck von dekorierten Auslagen, Passanten zum Kaufen zu verleiten, und ein Einkaufsbummel kann Glücksgefühle wecken, kann Frust – provisorisch – abbauen, besonders wenn der Einkauf ein Spontankauf ist. Modernes Marketing umgarnt uns auf vielfältige Weise, und so braucht man sich nicht zu wundern, dass Einkaufen für viele zum lustbetonten Erlebnis geworden ist.
Schließlich muss jemand aufpassen, dass nichts geklaut wird.
In jüngerer Zeit – und dies hat womöglich mit der Konkurrenz zum Online-Commerce zu tun – sind manche Schaufenster fast schon zu einem alternativen Kunstraum geworden. Vielleicht auch deshalb, weil viele Händler erkannt haben, dass Passanten als Multiplikatoren wirken, weil sie gelungene Schaufensterdekorationen über Blogs und soziale Medien teilen.
Kaffee gefällig?
Umso wichtig wird die Inszenierung der Waren. Es reicht nicht mehr aus, Puppen in schöne Kleider zu stecken. Ideenreichtum ist gefragt, und sogar Kitsch kann – gezielt eingesetzt – eine kauffördernde Wirkung ausüben.
Geisterstunde
Mit einer originellen Gestaltung werden Emotionen bei den Passanten erzeugt und Besitzwünsche geweckt. Sie werden positiv wahrgenommen und bleiben im Gedächtnis. 24 Stunden, 7 Tage die Woche ist das Schaufenster der Werbeträger und Türöffner eines Ladens.
Interessant die Assoziation zwischen der alten Schreibmaschine Fortuna (Glück) aus dem Jahr 1923 und der Schauspielerin und Sängerin Doris Day (geb. 1922). Ältere Jahrgänge erinnern sich gerne an die romantischen Komödien, mit denen sie in den 1950er und 1960er Jahren zu den populärsten Hollywoodstars zählte.
Nostalgie
Die Farbgestaltung eines Schaufensters kann eine wichtige Rolle bei der Anziehung von Kunden und der Präsentation von Produkten spielen. Farben können Emotionen und Assoziationen hervorrufen und somit einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung des Schaufensters haben.
Sehr wirksam ist es, Kontraste zwischen verschiedenen Farben zu schaffen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Was für ein Ergebnis hat hier die Verwendung der Komplementärfarben Rot und Grün gebracht! Der Dekorateur als Künstler!
Die Farben der Mode
Wenn ich manchmal durch die Münchner Innenstadt schlendere, verliere ich mich leicht in der Ästhetik mancher Schaufenster. Wenn ich vor einer dekorierten Auslage stehen bleibe, deren mehr oder weniger fantasievolle, von minimalistisch bis opulent gestaltete Dekoration ich bewundere, ist eine Absicht, etwas einzukaufen, meistens bei mir ganz und gar nicht vorhanden. In einem kleinen Café Station machen, ist eher ein wichtiger Teil solch eines Bummels.
Bei Rischart am Marienplatz
Manchmal ist es nicht die Dekoration insgesamt, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht, sondern das Objekt, das verkauft werden soll!
Giorgio-Armani-Laden in der Maximilianstrasse
Ein kleines Kunstwerk: Eine breite Auswahl von Filzstoffen, gut sichtbar und in verschiedenen Farben, Muster und Texturen. Farben, die die Aufmerksamkeit erregen und gleichzeitig zur Ästhetik der Filzstoffe passen. Und vor allem eine gute Beleuchtung, die die Farben und Texturen der Stoffe optimal zur Geltung bringt.
Filz
Was auch immer dieses Objekt darstellt, ich konnte nicht anders als stehen bleiben und schauen: Kunst im Vorbeigehen – auch das ist München!
Sonne
Gelegentlich erkennt man vor lauter Überlagerung verschiedener Elemente und wegen „schreiender“ Mittelpunkte kaum, worum es eigentlich geht.
Kiss me
Zwei blaue Figuren? Ein Hauch von Geheimnisvollen! Eine auffällige Farbe! Der Kontrast zwischen historischen Antiquitäten und moderner Kunst! Eine kreative Art, Passanten zum stehen bleiben zu ermuntern?
Antiquitätenladen beim Gärtnerplatz
Kaum ein Anglizismus ist bei den Sprachpuristen verhasster als der allgegenwärtige „Sale“. Aber das Wort will einfach nicht aus dem Deutschen verschwinden. In der verengten Bedeutung „vorübergehende Verkaufsaktion mit gesenkten Preisen“ hat es die Klassiker Ausverkauf, Winter- oder Sommerschlussverkauf völlig verdrängt. Nach dem Ende des klassischen reglementierten Schlussverkaufs brauchte man offensichtlich ein neues Wort. Denn ein „Sale“ kann jederzeit stattfinden, er muss nicht am Ende irgendeiner Jahreszeit stehen.
Die reinste Abstraktion
Bezaubernd: In diesem Laden an der Luisenstraße gibt es zahlreiche Puppen aus den unterschiedlichsten Materialien und aus verschiedenen Epochen. An der Decke hängen große und kleine Marionetten herab. Der Innenraum hat den Hauch eines Museums.
Puppen-Reparaturwerkstatt
Wer hätte es gedacht? Ein einfaches Schaufenster, die Platzierung von zwei Paar Schuhen, der neueste Mode-Style, eine interessante Farbkombination – und schon hat man etwas Sehensvertes vor den Augen.
Die Eleganz der Schuhe
Ein Fall, in dem die Schaufensterdekoration auch mich zum Spontankauf verleitet hat. Es gab mir eine Kaufidee für ein Geschenk, das lange fällig war! Der Anglia Bookshop ist der wohl unordentlichste Buchladen der Welt. Trotzdem findet das Personal zielsicher, wonach man fragt, oder kann es zumindest aus aller englischsprachigen Welt besorgen. Für Bücherwürmer ein echtes Erlebnis!
Anglia Bookshop
Manchmal liegt die Schönheit nicht in der Auffälligkeit, sondern in der Fantasie: Achten Sie auf den „weiblichen“ und den „männlichen“ Kleiderbügelhaken.
Wäscherei am Bonner Platz
Nostalgie, eine sentimentale Sehnsucht oder wehmütige Zuneigung für das Vergangene, ist ein Anker und stiftet Identität. Das ist nur einer der Gründe dafür, warum sie sich so gut verkaufen lässt. Der Vintage- und Retrotrend von heute ist keine einmalige Sache. Die Zeit, an die sich durch das Produkt – ein Lied, ein Design, ein Bild – erinnert werden soll, gibt Aufschluss darüber, was uns gerade fehlt oder verloren geht.
Vintage-Plakat
Der Wettbewerb ist auch in der Friseurbranche hart. Nicht immer reichen ausgefallene Namen wie „Love is in the Hair“, „Ali Barber Shop“, „Hin und Hair“ oder„Hairforce One“, um Kunden anzulocken. Eine schöne Gestaltung des Schaufensters kann hilfreicher sein.
Friseurladen in der Leopoldstraße
Antiquitätengeschäfte gibt es in Schwabing und der Maxvorstadt nicht wenige. Um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, muss das Schaufenster kunstvoll dekoriert werden.
Besteckbaum