23. August 2020
Zurzeit wird viel über die Namen der Münchner Straßen diskutiert. Vor allem über jene, die Historiker als problematisch betrachten, weil sie – beispielsweise – nach Nazis oder Rassisten benannt sind. Aber auch Straßennamen von auf den ersten Blick unbescholtenen Persönlichkeiten stehen auf der Liste: So der Franz-Josef-Strauß-Ring, die Erich-Kästner- und die Richard-Wagner-Straße oder der Kolumbusplatz.
Eine politische Diskussion darüber ist keinesfalls das Thema dieser Seite. Einen Fall möchte ich aber spaßeshalber erwähnen, denn er bringt mich zum Schmunzeln: Franz Josef Strauß steht auf der Liste, weil er in Afrika auf Jagdsafaris auf Antilopen geschossen habe und bei dieser Gelegenheit gesagt haben soll: „Wir Schwarzen müssen zusammenhalten“.
Diese Seite beschränkt sich auf Straßennamen, die allgemein bekannt sind oder eine spezielle Bedeutung haben.
Agnes-Bernauer-Platz/-Straße (Laim): Agnes Bernauer (1410-1435) war die Geliebte und vielleicht die erste Ehefrau des bayerischen Herzogs Albrecht III. Durch diese nicht standesgemäße Verbindung geriet Albrecht in Konflikt mit seinem Vater Ernst, der Agnes Bernauer 1435 in der Donau ertränken ließ. Ihr Leben und Sterben wurde in zahlreichen literarischen Werken verarbeitet, zu den bekanntesten zählen Friedrich Hebbels gleichnamiges Trauerspiel und Carl Orffs „Die Bernauerin“. Alle vier Jahre finden in Straubing Agnes-Bernauer-Festspiele statt, bei denen die Geschichte von Laienschauspielern in Szene gesetzt wird.
Baaderplatz/ -straße (Isarvorstadt): Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, wurden die Straße und der Platz nicht zu Ehren des Terroristen Andreas Baader (RAF, Baader-Meinhof-Bande) so benannt, sondern zu Ehren des Theologen und Sozialreformers Franz Xaver von Baader (1765–1841).
Belgradstraße (Schwabing): Die Belagerung von Belgrad im Jahr 1688 war Teil des Großen Türkenkriegs. Dabei kämpften Truppen des Heiligen Römischen Reiches, insbesondere kaiserlich österreichische, gegen die Osmanen. Die Belagerung endete mit einem Sieg der angreifenden kaiserlichen Truppen. Der bayerische Kurfürst Max Emanuel erstürmte 1688 die Festung Belgrad in Serbien, aber erst 1717 wurden die Türken durch Prinz Eugen endgültig aus Belgrad vertrieben.
Dom-Pedro-Platz/ -Straße (Neuhausen): Nach Dom Pedro I. (1798–1834), von 1822 bis 1831 Kaiser von Brasilien. Diese war in zweiter Ehe mit Amélie von Leuchtenberg, einer Enkelin des bayerischen Königs Maximilian I., verheiratet.
Effnerplatz: Benannt nach Joseph Effner (1687–1745), Münchner Baumeister und Gartenarchitekt und Carl Joseph von Effner (1831–1884), Hofgärtendirektor und Schöpfer der Gartenanlagen um die Schlösser des bayerischen Königs Ludwig II.
Gabelsbergerstraße (Maxvorstadt): Franz Xaver Gabelsberger (1789–1849) war ein deutscher Stenograf. Mit der Gabelsberger-Kurzschrift war er der Erfinder eines kursiven (grafischen) Kurzschriftsystems und damit eines Vorläufers der heute gebräuchlichen Deutschen Einheitskurzschrift.
Georg-Brauchle-Ring: Georg Brauchle (1915–1968), von 1960 bis zu seinem frühen Tod 1968 Zweiter Bürgermeister Münchens.
Die Kardinal-Faulhaber-Straße ist eine Straße in der Altstadt von München. Sie verläuft vom Salvatorplatz in südwestlicher Richtung zum Promenadeplatz. Belegte frühere Namen sind Barts Gassen (um 1375) sowie Graf-Portia-Prangers-Gasse (gegen Ende des 18. Jahrhunderts). Ab 1818 trug sie den Namen Promenadegasse. Nach dem Tod des Münchner Erzbischofs Michael Kardinal Faulhaber (1869–1952) erhielt sie 1952 ihren heutigen Namen. Für den Bund für Geistesfreiheit München ist es nicht hinnehmbar, dass ein Kriegstreiber, Demokratiefeind und Hitler-Verehrer wie Kardinal Faulhaber mit einem Straßennamen geehrt wird. Die Ehrung Faulhabers mit einem Straßennamen im Jahr 1952 geschah damals ganz offenkundig in Unkenntnis seiner Gegnerschaft zur Demokratie. So schrieb der Kardinal am 15. September 1933 voller Hoffnung in sein Tagebuch, dass Hitler das gelänge, was Bismarck nicht schaffte, „das Übel des parlamentarischen demokratischen Systems mit der Wurzel auszureißen ...“. Bei der Entscheidung von 1952 hatte man anscheinend auch keine Kenntnis seines antisemitischen Hasses auf Kurt Eisner, den ersten Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern, den er am 27. Februar 1919 als einen „Teil von jener Kraft, die Jesus gekreuzigt hat“, bezeichnete.
Luise-Kiesselbach-Platz: Wer kennt ihn nicht! Der Luise-Kiesselbach-Platz ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in München. Vor dem Bau des gleichnahmigen Tunnels fuhr man zwangsläufig an ihm und an den beiden markanten Türmen des Altenheims St. Joseph vorbei, wenn man zur Autobahn 95 in Richtung Garmisch-Partenkirchen fahren wollte. Der Platz ist nach Luise Kiesselbach, einer Münchner Politikerin und Frauenrechtlerin, benannt.
Luise Kiesselbach (1863-1929) setzte sich äußerst engagiert für die Belange der bürgerlichen Frauenbewegung in Bayern und in der Armenpflege ein. Sie trat insbesondere für das Frauenwahlrecht und das Recht der Frauen auf Bildung ein. U. A. initiierte sie ein für damalige Verhältnisse mustergültig ausgestattetes Altenheim und regte die Gründung von Kinderheimen an.
Erich-Kästner-Straße: Wer kennt sie nicht die Kinderbücher von Erich Kästner? „Emil und die Detektive“, „Pünktchen und Anton“, „Das fliegende Klassenzimmer“, „Das doppelte Lottchen“. Wir alle haben diese Bücher geliebt. Und die Straße, die nach Kästner benannt ist, soll jetzt auf einer Liste von „problematischen Straßennamen“ stehen? Soll das ein Scherz sein? Leider nicht! Dreihundertsechzig Straßennamen, die „erhöhten Diskussionsbedarf“ haben, stehen auf so einer Liste. Erich Kästner, dessen Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt wurden, trifft der Vorwurf, Deutschland während der NS-Zeit nicht verlassen zu haben, während seine Freunde emigrieren mussten. Kann man da nicht am menschlichen Verstand zweifeln?
BUCHTIPPS: | |
Emil und die Detektive | |
Zum ersten Mal darf Emil allein nach Berlin fahren. Seine Großmutter und die Cousine Pony Hütchen erwarten ihn am Blumenstand im Bahnhof Friedrichstraße. Aber Emil kommt nicht. Während die Großmutter und Pony Hütchen noch überlegen, was sie tun sollen, hat Emil sich schon in eine aufregende Verfolgungsjagd gestürzt. Quer durch die große fremde Stadt, immer hinter dem Dieb her, der ihm im Zug sein ganzes Geld gestohlen hat. | |
Der Gang vor die Hunde | |
„Fabian“ ist Erich Kästners Meisterwerk. Doch das Buch wurde vor seinem Erscheinen 1931 verändert und gekürzt, denn das Manuskript war für den Verlag zu einem Sprengsatz. Das Buch erschien gegen Kästners Intention unter dem Titel „Fabian“. Jetzt liegt der Roman zum ersten Mal so vor, wie ihn Kästner geschrieben und gemeint hat, unter dem Titel „Der Gang vor die Hunde“. | |
Giselastraße: Nach Gisela von Österreich, Erzherzogin von Österreich, Prinzessin von Bayern (1856–1932), vermählt mit Prinz Leopold von Bayern.
Lindwurmstraße (Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, Sendling): Nanu? Eine Straße, die nach einem Fabelwesen benannt wurde, einem Lindwurm (althochdeutsch „lint“ für „Schlange“)? Leider nicht. Es geht um den Arzt Joseph von Lindwurm (1824–1874).
Maffei-Straße: Joseph Anton Ritter von Maffei (1790-1870 ebenda) war ein Industrieller. Neben Joseph von Baader (1763–1835) und Baron Theodor Cramer-Klett (1817–1884) gilt er als einer der drei wichtigen Wegbereiter der Eisenbahn in Bayern. Schon was von der Firma Krauß-Maffei gehört.
Odeonsplatz (Maxvorstadt, Lehel): nach dem Odeon, dem ehemaligen Konzertsaal des frühen 19. Jahrhunderts westlich des Platzes benannt. Nach starken Kriegszerstörungen wurde das Gebäude zum Dienstsitz des bayerischen Innenministeriums umgebaut.
Stachus: offiziell Karlsplatz, nach dem bayerischen Kurfürsten Karl Theodor. Auf dem Gelände Ecke Sonnenstraße/Bayerstraße stand im 18. Jahrhundert ein Haus, in dessen Garten Bier ausgeschenkt wurde. Seit 1728 ist dort ein Mathias Eustachius Föderl, genannt „Eustach“, als Wirt verzeichnet. Nach ihm erhielt die Gastwirtschaft den Namen „Stachus“. Von der Gastwirtschaft wurde der Name dann auf den Platz übertragen, an dem sie lag.
Oskar-von-Miller-Ring (Maxvorstadt), nach Oskar von Miller (1855–1934), einem deutschen Bauingenieur, Gründer des Deutschen Museums.
Schwanthalerstraße, Schwanthalerhöhe (Ludwigsvorstadt): nach Ludwig Michael Schwanthaler (1802–1848), ab 1844 Ritter von Schwanthaler. Er war ein bayerischer Bildhauer und gilt als Hauptmeister der klassizistischen Plastik in Süddeutschland.
Schwere-Reiter-Straße: benannt nach dem 1. Schwere-Reiter-Regiment „Prinz Karl von Bayern“. Dies war ein Kavallerie-Verband der Bayerischen Armee, der am 16. Juli 1814 als Regiment Garde du Corps in der Pfalz aufgestellt worden war. Der Friedensstandort des Regiments war ab 1815 München.
Adalbert-Stifter-Straße (Bogenhausen): Adalbert Stifter (1805–1868) war ein österreichischer Schriftsteller, Maler und Pädagoge. Er gilt als Meister der Naturdarstellungen. Diese für seine Zeit neuartigen Landschaftsbeschreibungen haben dem naturverbundenen Schriftsteller den Ruf eines Heimatschriftstellers eingebracht. Zu seinen Bewunderern zählt Friedrich Nietzsche, der einige von Stifters Werke zum „Schatz der deutschen Prosa“ zählte. Karl Kraus, der die meisten Autoren seiner Zeit für völlig bedeutungslos hielt, forderte sie auf „vor das Grab Adalbert Stifters zu ziehen und das stumme Andenken diese Heiligen für ihr lautes Dasein um Verzeihung bitten.“
BUCHTIPPS: | |
Bergkristall (dtv großdruck) | |
Bergkristall gilt als die ergreifendste Erzählung, die Stifter geschrieben hat. Er schildert einerseits die Natur, in die die Kinder hineingeraten, und andererseits die Wirkung auf sie und für die um sie bangenden und sie suchenden Erwachsenen. Zu Weihnachten verirren sich die Kinder im Hochgebirge, und als sie lebendig und wohlbehalten zu ihren Familien zurückkehren, ist das wie eine Auferstehung zum Osterfest. | |
Türkenstraße (Maxvorstadt): Keineswegs eine Straße zu Ehren der Türken, im Gegentail: Die Straße verläuft entlang des unvollendeten Kanals, im Volksmund Türkengraben, der als Teilabschnitt eines Kanalsystems die Münchner Residenz mit Schloss Nymphenburg, Schlossanlage Schleißheim und Schloss Dachau verbinden sollte. Dieser wurde angeblich von Gefangenen aus den Türkenkriegen ausgehoben.