TAGESAUSFLUG IN DIE TROPEN
10. Februar 2022:
Schon seit 1809 gibt es in München einen Botanischen Garten. Er befand sich zunächst in der Nähe des Karlsplatzes (Stachus). Dieser „Alte Botanischer Garten“ ist heute nur noch eine kleine Erholungsfläche im Herz Münchens. Zwischen 1911 und 1914 wurde dann der neue, mit 21 Hektar wesentlich größere Botanische Garten im Stadtteil Nymphenburg angelegt.
Das Ensemble von Botanischem Garten und Botanischem Institut war eines der letzten großen Bauvorhaben der bayerischen Monarchie. Er ist kaum verändert erhalten geblieben, es gehört zu den Staatsbauten Münchens, die das Selbstbewusstsein des Königreichs Bayern in seiner Schlussphase unter dem Prinzregenten Luitpold und dem letzten König Ludwig III. am deutlichsten ausdrückte.
Es ist dieses „Kaum-verändert“, das mich besonders anzieht. Sieht man einmal von der Garderobe der heutigen Besucher ab, kann man sich in diesem Garten gedanklich zurückversetzen in eine Zeit, in die Architektur noch nicht von der weltweit uniformen Formensprache der „Moderne“ beherrscht wurde. Spaziergänge finden somit in einem „Vintage“-Ambiente statt.
Von der Anfahrt mit dem Auto ist wegen Parkplatzknappheit eher abzuraten, besonder an den Wochenenden. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist es auch nicht ganz ohne. Vom Sendlinger Tor, dem Stachus und dem Hauptbahnhof fährt man am besten mit der Tram 17. Die Fahrtzeit ist etwa 20 Minuten. Wenn man vom Norden kommt (Olympia-Einkaufszentrum), ist der Bus 143 die beste Option.
ÜBERSICHTSKARTEN
- Gartenplan (Pdf)
- Online-Karte mit Baumsuche
- OpenStreetMap
Das Botanische Institut
In dieser Jahreszeit ist der Garten – verglichen mit der Pracht der schönen Jahreszeit – ziemlich kahl und farblos. Aus diesem Grund sollen die Gewächshäuser das Hauptziel meines heutigen Spaziergangs sein. Es soll gewissermaßen ein Tagesausflug in die Tropen werden.
Immerhin ist in der Wintersaison der Eintritt ins Freiland des Botanischen Gartens kostenlos. Will man sich das entgehen lassen? Zumal man sich das Gelände nur mit wenigen Rentnern teilen muss? Als ich also in aller meditativen Ruhe eine erste Runde im Park drehe, fällt mir bald auf, dass mein erster Eindruck von winterlicher Farblosigkeit und entblößter Natur sich nicht bestätigt. Im schneefreien Gelände ist eine andere Art Vielfalt zu beobachten, die mich immer wieder zum Staunen bringt und meine Sinne anspricht.
Na, wer sagt's? Gleich am Anfang meines Spaziergangs stoße ich auf eine Blume, die ich spontan als „Butterblume“ zu erkennen glaube. So nannte ich sie jedenfalls in meiner Kindheit. Meiner Pflanzenbestimmung-App nach handelt es sich um einen Winterling (nomen est omen). Die Staude blüht oft schon im Februar. Zuerst erscheinen die goldgelben schalenförmigen Blüten. Der Kleine Winterling gehört zur Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae).
Winterling
Wenige Schritte weiter sehe ich schon die ersten Krokusse (Schwertliliengewächse), die Blumen, die den Frühling ankündigen. In zahlreichen Regionen der Alpen bilden Krokusse am Ende des Winters wunderschöne lila-weiße Blumenteppiche. Eines der bekannten Ziele ist der Heuberg bei Brannenburg. Jedes Jahr im Frühjahr pilgern Hunderte von Wanderern zu den beiden Hütten Deindlalm und Laglerhütte.
Krokusse
Meine Kenntnisse der Botanik sind eher dürftig. Eine Ahnung, was Photosynthese bewirkt, habe ich gerade noch. Aber Blütenstand, Gymnosperme, Sporophylle, geflügelter Blattstiel? Das sind für mich Fremdwörter. Mein persönlicher Zugang zur Pflanzenwelt ist rein gefühlsmäßig und erfolgt über die Ästhetik der Formen und der Farben, welche die Natur zustande gebracht hat. Außerdem können Pflanzenwelten mich in entfernte Gegenden oder in heimatliche Landschaften versetzen.
Wer ist denn nicht begeistert von dem Gewirr an Linien und Formen dieses „umschlungenen“ Baumes?
Oder muss man mehr über die Japanische Gleditschie (Johannisbrotgewächse) wissen, als dass die riesigen Dornen den Baum schützen sollen?
Gleditsia japonica
Freilich ist der Schmuckhof vor dem Botanischen Institut in dieser Jahreszeit noch kahl und unansehnlich. Von der Pracht der ab dem Frühling blühenden Tulpen, Hyazinthen, Narzissen und Gänseblümchen ist nichts zu sehen. Und entlang dem terrassenartig ansteigenden Weg im Frühlingsgarten sind die Bäume durchgehend kahl. Umso auffälliger ist daher der Zaubernuss-Strauch, der mit einer zauberhaften gelborangen Blüte überrascht.
Weiche Zaubernuss
Ich ziehe es vor, auf den malerischen Wegen im Arboretum und in den südlichen Bereichen des Parks zu spazieren: im Rhododendronhain, in der Farnschlucht und beim großen Teich. Für Interessierte stehen überall im Freiland Informationstafeln zur Verfügung, die auf übersichtlicher Weise Eigenarten der jeweiligen Pflanzen erklären.
Stiel-Eiche
Rund um den großen Teich hat das Gelände weniger den Charakter eines „Parks“ und mehr den einer „Landschaft“. Wann man vom Ostufer über den Teich blickt, könnte man denken, man wäre irgendwo auf dem Land in Oberbayern, inmitten einer fantastischen Moorlandschaft.
Die Atmosphäre, die der Botanische Garten ausstrahlt, ist so herrlich „vintage“. Beispielsweise das zur Wasserstandsregulierung erbaute achteckige historische Pumpenhaus am Teich. Ein architektonischer Augenschmaus.
Das Pumpenhaus
Die Gewächshäuser des Botanischen Gartens nehme ich mir zum Schluss vor. Auch hier geht es mir weniger um botanisches Wissen als um den „Zauber des Ortes“.
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Wann immer ich in einer Stadt ankomme, die einen Botanischen Garten beherbergt, ist dieser einer meiner ersten Ziele. Von deren Tropenhäusern fühle ich mich angezogen wie Mücken vom Licht. Das Palmenhaus in Wien, das Palmenhaus in den Kew Gardens in London, der Palmengarten in Frankfurt am Main, sie alle waren Erlebnisse, die ich nicht vermissen möchte.
Von drei großen, in West-Ostrichtung hintereinanderliegenden Hallen des Gewächshauses gehen seitlich kleinere Spezialhäuser ab. Die erste der großen Hallen ist trockenheitsliebenden Pflanzen aus Amerika, die letzte der gleichen Pflanzengruppe aus der Alten Welt gewidmet. Sie rahmen das zentrale Tropenhaus mit seiner 21 m hohen Kuppel ein.
Es ist für mich ein Erlebnis wie ein Kurzaufenthalt in den Tropen. Dabei vermittelt sich mir der Eindruck der Vielfalt tropischer und subtropischer Baumgestalten wie der von Palmen, Bambus und Bananenstauden; meine Fantasie versetzt mich in für wenige Momente in einen undurchdringlichen Dschungel; das „Hier und Jetzt“ wandert zu fernen Kontinenten.
Im Palmenhaus (Halle B)
Im Kalthaus finden im Winter Gehölze Unterschlupf, die keinen Frost vertragen und vor allem auch die, die in unserem Winter blühen. Allen voran zu nennen sind die Kamelien, die das Bild des Hauses prägen und die Azaleen, die mit ihrer Blütenpracht besonders beeindrucken.
Rhododendren (Haus 11)
Das Baumfarnhaus: „Da blüht nichts, das sparen wir uns“: So einen Satz hört man angeblich ab und zu seitens einiger Besucher. Was für ein Mangel an Fantasie! Die grazile Schönheit der Baumfarne, dieser filigranen immergrünen Relikten aus der Urzeit, sie beeindruckt und überwältigt.
Baumfarne (Haus 10)
Neben der Faszination des "Sich-hinein-Versetzen" in das tropische (bzw. subtropische) Ambiente bereiten mir die Formen und die Strukturen, die die Natur zustandegebracht hat, einen besonderen Genuss. Selbstverständlich wäre es auch ein interessantes Thema, die evolutionsbestimmte Entstehung derselben zu erforschen. Weshalb ist die Oberfläche eines Blattes glatt, rau, porös? Welche Vorteile für das Überleben einer Pflanze haben die mannigfaltigen Formen seiner Blattränder (gesägt, gekerbt, gefranst, gewimpert ...) hervorgebracht?
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Botanischer Garten München | |
Bekannte Autoren und Wissenschaftler stellen dieses großartige und so beliebte Münchner Juwel in historischen und aktuellen Beiträgen vor. Aus dem Inhalt: Allgemeine Entwicklung von 1914-2014 / Gartenarchitektur (Schmuckhof, Wege, Skulpturen / Technik für Bewässerung und Heizung / Pflanzen (Bäume, Nutzpflanzen, Rhododendren.) | |
Auf stillen Wegen: 22 Spazierwege auf Münchens Friedhöfen. | |
Folgen Sie diesem ungewöhnlichen Spazierführer zu Münchens berühmtesten Friedhöfen und erfahren Sie alles über deren Historie, berühmte Tote und das Leben derer. Mit wissenswerten Informationen zu Symbolen auf Grabsteinen, Bestattungskultur, Bestattungsarten und Bestattungsritualen anderer Glaubensrichtungen. | |
Die Natur als Künstlerin! Was für eine Pracht!
In normalen Zeiten findet alljährlich von Dezember bis März eine Ausstellung von (lebendigen) tropischen Schmetterlingen statt. Dann schwirren neben 400 bis 500 Schmetterlingen aus mehr als 50 Arten durch das Wasserpflanzenhaus auch nicht wenige Hobbyfotograefn in der kleinen Halle herum.
Leider kann wegen der COVID-Pandemie die Ausstellung in dieser Saison (2021-2022) nicht stattfinden. Die folgenden Fotos stammen aus einem Besuch der Ausstellung vor einigen Jahren.
Papilio thoas
Für Interessierte: Das Wort „Schmetterling“ leitet sich von dem mitteldeutschen Wort Schmetten (Rahm) ab. Die Benennung basiert auf den alten Volksglauben, nach dem Schmetterlinge verwandelte Hexen seien, die Milch und Sahne stahlen. Regional wird der Schmetterling auch als „Buttervogel“ bezeichnet. Im Englischen heißt es dann „Butterfly“.
Heliconius ismenius
Morpho peleides
BUCHTIPPS: | |
Das grüne München: Auf Erkundungstour durch historische Gärten und Parks | |
Den Englischen Garten und den Olympiapark kennt jeder. Doch München hat weit mehr Gärten und Parkanlagen zu bieten, die mit Blütenpracht, verschlungenen Wegen und großer Kunst von Bildhauerei bis Architektur glänzen: Der Hofgarten, die Maximiliansanlagen, der Herzogpark, die Frühlingsanlagen und der Alte Botanische Garten sind nur einige dieser historischen Treffpunkte. | |
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