UNSER WASSER AUS DER TIEFE
20. MÄRZ 2023
Die Pegel in Seen sinken, Grundwasserspeicher versiegen, Ernten bleiben aus. Weltweit häufen sich Dürrekatastrophen und Ernteausfälle. Der Klimawandel hat auch Deutschland erreicht! Immer öfter kommt es zu Streitigkeiten um die wertvolle Ressource Wasser. Auch im sonst so wasserreichen Deutschland nehmen die Verteilungskämpfe zu. Der Protest gegen die kommerzielle Nutzung von Grundwasser als Trinkwasser wird immer lauter.
Tiefengrundwasser kann bis einige Jahrtausende alt sein, ist besonders rein und schadstofffrei und gilt als „eiserne Reserve“. Im Landesentwicklungsprogramm Bayern steht, dass das Tiefengrundwasser besonders schutzwürdig ist.
Tatsache ist: In Bayern werden über 90 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen. Dabei wird auch Tiefengrundwasser entnommen und genutzt, zum Beispiel von kommunalen Wasserversorgern. Doch nicht nur kommunale Wasserversorger greifen nach der „eisernen Reserve“, sondern auch private Unternehmen.
Im Prinzip gehört in Deutschland das Grundwasser dem Eigentümer des darüber liegenden Grundstücks. Das wird glücklicherweise durch die Wassergesetze stark eingeschränkt. Der Grundstückeigner darf sein Eigentum nicht ausüben, ohne vom Staat dazu die Erlaubnis zu haben. Das steht in den Wassergesetzen der Länder. De facto gehört das Grundwasser also der Allgemeinheit. Die Landesbehörden müssen auf eine sorgsame Bewirtschaftung im Interesse der Allgemeinheit achten. Dabei hat niemand einen Rechtsanspruch auf Wasser. Grundsätzlich hat die öffentliche Versorgung Vorrang vor dem privatwirtschaftlichen Interessen der Getränkehersteller.
De facto ist die Situation eine andere: In Bayern dürfen Mineralwasser-Firmen Tiefenwasser abpumpen, um es als Mineralwasser zu verkaufen, i. A. ohne dass dafür – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – ein Entnahmeentgelt für Leitungswasser vom Staat kassiert wird.
Dieses Mineralwasser stammt aber aus denselben Quellen wie das Leitungswasser und wird von denselben Brunnen – meist kostenlos, weil in Bayern eben kein Wasserentnahmeentgelt erhoben wird – abgeschöpft. Dann wird es, teils gesprudelt, in Kunststoffflaschen abgefüllt und bundesweit und im Ausland an Supermärkte geliefert.
Für die paradoxe Situation, dass (beispielsweise in München) 1.000 Liter Leitungswasser etwa 1,70 Euro kosten, im Handel man für diesen Preis aber höchstens zehn Liter Mineralwasser bekommt, sind zwar auch die verbraucher verantwortlich, aber wenn der Staat Einnahmen hätte, könnten diese zumindest dazu verwendet werden, um die Grundwasservorräte zu füllen und das Wasser zu schützen.
Dass sich private Konzerne wie Aldi Nord (nach der Übernahme von Altmühltaler) oder EDEKA (nach der Übernahme des bayrischen Mineralbrunnen Petrusquelle von der staatlichen Mineralbrunnen AG in Bad Brückenau) Brunnen sichern, sehen Naturschützer zunehmend kritisch.
Man möchte nämlich nicht in die Situation der Termalbads Vittel (Frankreich) gebracht werden, das inzwischen auf eine Wasser-Pipeline aus dem Nachbardorf angewiesen ist, weil Nestlés unstillbarer Durst seine Grundwasser-Reserven aufgebraucht hat. Dieses Wasser wird unter dem Markennamen „Vittel“ dann in Einweg-Plastikflaschen abgefüllt und quer durch Europa in die Supermärkte gebracht.
INTERESSANT: Nestlé stellte 2022 den Verkauf der Mineralwassermarke Vittel in Österreich und Deutschland ein. Zu stark war der Konzern wegen der Wassergewinnung in Vittel in die Kritik geraten.
Vor Jahren hatte der Treuchtlinger Wasserstreit die Gemüter im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen erhitzt. Die Firma Altmühltaler zapfte seit Jahren wertvolles Tiefengrundwasser aus Brunnen in der Stadtmitte und verkaufte es als Mineralwasser an Deutschlands Discounter. Das Unternehmen wollte die Fördermenge verdoppeln. Treuchtlingens damaliger Bürgermeister hatte die Erhöhung in nichtöffentlicher Sitzung behandelt, um Diskussionen mit den Bürgern zu vermeiden. Als die Täuschung aufflog, wurde das Vorhaben abgelehnt.
Bad Adelholzen gilt als eines der ältesten Heilbäder Bayerns. Im Jahr 1875 kam das Adelholzener Heilwasser erstmals in den Handel. Anfang des 20. Jahrhunderts ging der Kur- und Badebetrieb in Adelholzen in Konkurs. 1907 erwarb das Münchener Mutterhaus der Kongregation der Barmherzigen Schwestern Adelholzen (1946 wurde daraus „Bad“ Adelholzen). Das Quell- und Heilwasser wurde von den Schwestern zur Verfügung gestellt, 1939 wurde die Primusquelle staatlich anerkannte Heilquelle. 1994 wurde aus der Adelholzener Primusquelle die Adelholzener Alpenquellen GmbH. Die Erträge aus dem Mineralwasserbetrieb kommen abzüglich der Investitionen zur langfristigen Sicherung der Arbeitsplätze karitativen und sozialen Einrichtungen zugute.
Schwesternwohnheim in Bad Adelholzen (CC-Lizenz)
Der Getränkehersteller Adelholzener fördert immerhin im Bergener Moos bei Siegsdorf im Chiemgau eine Million Kubikmeter Wasser pro Jahr aus 160 Metern Tiefe. Die Bürgerinitiative „Unser Bergener Wasser“, ein parteiunabhängiger Zusammenschluss von Bergener und Siegsdorfer Bürgern, fordert ein unabhängiges hydrogeologisches Gutachten bezüglich der Tiefengrundwasserentnahme durch die Adelholzener Alpenquellen GmbH. Hauptforderung der Bürgerinitiative ist, dass die geförderten Mengen aus dem Tiefengrundwasser nur dann erhöht werden dürfen, wenn der unabhängige Nachweis erbracht wird, dass die Tiefengrundwasserneubildung deutlich höher ist, als die Entnahme.
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Ein weiterer Fall im Landkreis Mühldorf: Das Unternehmen InnFood aus Polling produziert Nahrungsmittel für Babys und Kleinkinder sowie Biolebensmittel. In Zukunft möchte das Unternehmen auch Wasser verkaufen, das aus Tiefengrundwasser entnommen werden muss. Das Unternehmen hat dazu einen Antrag beim Mühldorfer Landratsamt gestellt. Bei den Bürgern der Region regt sich Widerstand. Die „Bürgerinitiative Netzwerk Trinkwasser“. hat für die Petition „Keine kommerzielle Vermarktung von Tiefenwasser in Weiding“ bereits rund 3.500 Unterschriften gesammelt.
Eine neue Fassung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) von CSU und Freien Wählern lässt Opposition und Kommunalverbände fürchten, dass dadurch Getränkehersteller leichteren Zugang zum Grundwasser bekommen könnten. In der neuen Fassung, die noch nicht vom Parlament verabschiedet wurde, heißt es jetzt beispielsweise: „Grundwasser soll insbesondere der Trinkwasserversorgung dienen.“ Und nicht mehr bevorzugt. Hinter solchen unscheinbaren Formulierungen fürchten Opposition und Kommunalverbände, dass es für Unternehmen künftig leichter werde, sich am Allgemeingut Wasser zu bedienen. Für den Bayerischen Gemeindetag ist der neue Text „ein Signal in die falsche Richtung“. Eine weitere Änderung: Bisher hieß es „Bedeutende, durch Wasserschutzgebiete ... geschützte Trinkwasservorkommen sollen für die zukünftige Nutzung dauerhaft erhalten bleiben.“ Jetzt soll auch das Wort dauerhaft verschwinden. Und das obwohl Bayern nur rund fünf Prozent der Landesfläche als Wasserschutzgebiete ausgewiesen hat (in Baden-Württemberg sind es beispielsweise mehr als 25 Prozent). „Kleinen bayerischen Wasserschutzgebieten den Status „dauerhaft“ zu nehmen, gefährde die Wasserversorgung in Bayern, meint dazu der Gemeindetag.
In anderen Bundesländern müssen Unternehmen für die Entnahme von Grundwasser zahlen – dort gibt einen sogenannten „Wassercent“. Der wird zwar auch im Freistaat diskutiert, bis zur möglichen Einführung dürfte es aber noch eine ganze Zeit dauern.
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