ANGERLOHE
1. Oktober 2020:
Im Nordosten Münchens liegt, umgeben und zerschnitten von Autobahn, Industriegebiet und Rangierbahnhof, eine für viele Münchner unbekannte Naturlandschaft. Einerseits die mit Tümpeln, Wiesen und Laubwäldern versehene Angerlohe, andrerseits die nördlich davon liegende Allacher Lohe. Beide bieten vielen Tieren und Pflanzen Schutz.
Sowohl die etwa 40 Hektar große Angerlohe als auch die Allacher Lohe mit ihren 150 Hektar gehören zu den letzten Urwaldrelikten im Münchner Nordwesten. Lohwald (auch: Lohe ) ist eine Landschaftsbezeichnung für „lichten Wald“.
Mit öffentlichen Mitteln erreicht man die Angerlohe am Besten mit der U3 in Richtung Moosach (bis zum Moosacher St.-Martins-Platz), und von dort fährt man mit dem Bus 163 zur Haltestelle Gruithuisenstraße (die sich in der Manzostraße befindet). Wenn Sie westlich von der Haltestelle das moderne Gebäude einer Schule sehen, dann sind Sie an der richtigen Stelle. Falls Sie mit dem Auto unterwegs sind, geben Sie Ihrem Navi die Grundschule an der Manzostraße als Ziel an.
Am südlichen Rand der Angerlohe
Ohne Zweifel handelt es sich bei dem Gebiet südlich des Landschaftschützgebiets um eine angenehme, ruhige Wohngegend. Nahezu überall findet man eine aufgelockerte Wohnbebauung mit Ein- und Zweifamilienhäusern, mit Eigentums- und Reihenhauswohnanlagen durchsetzt. Keine Höhepunkte der Architektur. Die Siedlungen stammen aus den 1950er bis 1970er-Jahren. Freilich ist es eine Gegend, in der man sich ins Auto (oder aufs Fahrrad) setzen muss, will man eine Zeitung oder die Frühstücksbrezen) kaufen.
Das letzte Haus mit Flair
Lohwald heißt zwar „lichter“ Wald, doch mein erster Eindruck, wenn ich auf einem der zahlreichen schmalen Wege den Wald betrete, ist der von Dichte und Dunkelheit.
Wohin ich auch schaue, sehe ich einen urwüchsigen, „richtigen “ Wald, nahezu ohne Nadelholzgewächsen, so wie es früher in ganz Deutschland einmal war, als die Wälder fast vollständig aus Laubmischwäldern bestanden.
Die Angerlohe ist ein Eichen-Hainbuchenwald, der in historischen Zeiten als sogenannter Niederwald in zeitlichen Abständen zur Brennholzgewinnung genutzt wurde. Der durch diese Nutzung erzeugte lichte Charakter ist in weiten Teilen verloren gegangen, doch sind kleine Lichtungen mit wertvoller Flora noch vorhanden. Hier wachsen Hainbuchen, Eichen, Linden, Ahornbäume und auch noch die vom Aussterben bedrohten Eschen und Ulmen.
Verlaufen kann man sich kaum. Durch die bescheidene Größe des Waldes ist es schwer, die Orientierung zu verlieren. Dennoch fällt mir auf, dass es hier paradoxerweise stiller ist als in der dreifach so großen Allacher Lohe. Während ich dort bei meinem Spaziergang im Frühjahr fast überall noch das (wenn auch leise) Geräusch der Autobahn vernehmen konnte, gibt es hier Augenblicke völliger Stille.
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Angerlohe
Geht man von der Manzostraße gegen Norden, trifft man nach etwa 200 Metern (auf der Höhe der Rueßstraße) auf einen Torbogen. Errichtet wurde er 1910 vom Bauunternehmer Korbinian Beer. Der Historiker Dr. Walter Demmel vermutet, es müsse eine Auftragsarbeit gewesen sein, vielleicht vom Königshaus . Ursprünglich gab es einen nördlichen und einen südlichen Bogen. Vom Südtor an der Manzostraße sind nur noch kleine Reste erhalten. Auf alten Fotos ist zu sehen, dass auf dem Tor der Schriftzug „In Treue fest“ stand.
Der Torbogen in der Angerlohe
Vom Torbogen aus in Richtung Osten komme ich auf eine sonnendurchflutete waldfreie Fläche. Der Kontrast zur Dunkelheit des Waldes könnte nicht größer sein. Auf der brachliegenden Fläche leuchtet ein Meer von prächtigen, gelb blühenden hohen Stauden. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um Kanadische Goldruten (Solidago canadensis ), die man inzwischen fast überall in Europa trifft.
Kanadische Goldrute
Ich bin von diesem Wald begeistert! Obwohl ich von beliebiger Stelle aus in höchstens einer Viertelstunde wieder draußen sein könnte, erlebe ich permanent das Gefühl, „tief im Wald“ zu sein, und empfinde das keineswegs als Bedrohung! Ruhe stellt sich bei mir ein. Es heißt, dass beim Aufenthalt in einem Wald sich der Wert der produzierten Stresshormone senke. Bei Männern soll der Adrenalinwert um fast 30 % senken!
Riesige Buchen
Kaum bin ich (nördlicherseits) aus dem Wald heraus, erwartet mich eine farbige Überraschung: Große und kleine, in sattem Orange erstrahlende, noch nicht abgeerntete Kürbisse liegen ungleichmäßig auf einem Feld verteilt unter den Strahlen der schwachen Herbstsonne. Es ist ein wahres Fest fürs Auge!
Halloween naht!
Nördlich der den Wald begrenzenden Angerlohstraße befindet sich ein Magerwiesen-Biotop, der von der Angerlohe bis einschließlich die Allacher Lohe reicht – leider durchtrennt durch den Güterbahnhof und die Ludwigsfelder Straße – und als Fauna-Flora-Habitat geführt wird. Dort wurden Froschteiche angelegt. Im Frühjahr soll es von Kaulquappen nur so wimmeln und bis in den Sommer hinein Froschkonzerte geben.
Als Magerwiese-Biotoptyp (auch Magerrasen oder Trockenwiese genannt) werden Wiesen an besonders nährstoffarmen, „mageren“ Standorten zusammengefasst. Weil dieser Wiesentypus landwirtschaftlich kaum genutzt werden kann, ist die Magerwiese heute vom Aussterben bedroht. Vor allem in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten erfolgt eine Umwandlung in wirtschaftlichere Nutzungsformen.
An dem Weg entlang der Wiese wachsen wilde Obstbäume, vor allem Apfelbäume, von denen man sich im Spätsommer bedienen kann.
Streuobstwiese
Im Gegensatz zur Besiedlung am südlichen Rand der Angerlohe gibt es unmittelbar am Rand des Biotops ein paar Straßenzüge, die grün und dörflich-idyllisch sind: ein-und Zweifamilienhäuser, kleine Gärten, alter Baumbestand. Man würde nicht ahnen, dass unweit davon das Werkstor von Krauss-Maffei steht und sich der Stadtbezirk Allach-Untermenzing verkehrsbelastet, versiegelt und industriell geprägt zeigt.
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Wolf-Dieter Storl ist ein deutschamerikanischer Kulturanthropologe, Ethnobotaniker und Buchautor. Storls Publikationen beschäftigen sich vor allem mit Ethnobotanik, Ethnomedizin, traditioneller Phytotherapie und Kulturökologie. Der Bestsellerautor möchte uns in diesem Buch den Wald wieder näherbringen. Er gibt uns einen Einblick in die Tiefen des Waldes mit seiner Geschichte, seinen Mythen, Bildern und Symbolen. | |
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