VON DER PANZERWIESE NACH OBERSCHLEISSHEIM
12. FEBRUAR 2021: Ein eiskalter, sonniger Wintertag. Die Luft ist so klar, dass es mich nahezu dazu zwingt, eine offene Landschaft aufzusuchen. Ich entscheide mich für die Panzerwiese, einen meiner Lieblingsorte und eine der wenigen Stellen innerhalb Münchens, wo man eine weite Landschaft und einen von keinerlei Gebäuden verstellten Himmel erleben kann.
Mit dem Auto ist die Panzerwiese schnell zu erreichen. Von der Münchner Freiheit ist es eine knappe Viertelstunde. Man fährt die Ingolstädter Straße (die Verlängerung der Leopoldstraße) in Richtung Norden bis zur Busarena. Kurz vor der Bushaltestelle Neuherberg Helmholtz-Zentrum ist auf der linken Seite ein kleiner Parkplatz.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln braucht man etwas mehr Zeit. Mit der U-Bahn U2 (z.B. vom Hauptbahnhof) fährt man in Richtung Feldmoching bis zur Station Am Hart. Dort nimmt man den Bus 141 in Richtung Dülferstraße bis zur Neuherberger Straße.
Man muss sich das so vorstellen: Ich fahre die Ingolstädter Straße entlang in Richtung Norden; rechts und links sieht man Gewerbegebiete, Tankstellen und reizlose Wohnsiedlungen, die nur in der warmen Jahreszeit dank Baumbepflanzung am Straßenrand weniger sichtbar sind. Dann erscheint plötzlich linkerseits ein riesiges freies Areal. Es ist, als würde die Stadt schlagartig aufhören, um einer ursprünglichen Landschaft Platz zu machen, die man eher weit, weit weg in den norddeutschen Ebenen vermuten würde.
Die Panzerwiese ist eine etwa 200 Hektar große Heidefläche in Feldmoching im Münchner Norden. Ihren Namen trägt sie wegen der früheren militärischen Nutzung. Sie ist heute Teil des Naturschutzgebiets Panzerwiese und Hartelholz und wurde bei der EU als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (Heideflächen und Lohwälder) angemeldet.
Lichtes Kiefernwäldchen
Begrenzt wird die Panzerwiese, die in jeder Jahreszeit ein schönes Ziel für einen Spaziergang ist, durch die Ingolstädter Straße (B13) im Osten, einem Wohngebiet im Süden, im Westen durch die Schleißheimerstraße und im Norden durch das Hartelholz. Die Panzerwiese ist ein wichtiges Teilstück der früher bis weit in das Stadtgebiet hinein reichenden Heidelandschaft. Zu deren Schutz man bereits 2002 eine Naturschutzgebietsverordnung erlassen hat. Die Panzerwiese wurde 1981 noch von der Bundeswehr als Standortübungsplatz genutzt. Heute werden die Flächen von Schafen beweidet und relativ intensiv zur Naherholung genutzt.
Die Weiten der Panzerwiese
Bei einem Tag wie heute beeindruckt mich die Weite des Geländes besonders. Die weiße, schneebedeckte Fläche scheint schier endlos zu sein. Ein lichtes Kiefernwäldchen, gleich neben der Busarena gelegen, lässt mich an Deutschlands Norden denken. Während mir ein eisiges Windchen ins Gesicht bläst, stapfe ich eine Weile ziellos im lockeren Schnee herum.
Waldkiefer
Man könnte auf den zahlreichen, durch Fuß- und Skispuren erkennbaren Pfaden, die diese Heidelandschaft durchziehen oder auch querfeldein auf der weißen Decke ewig spazieren gehen. Ich will mich aber nicht lange hier aufhalten, denn mein Ziel liegt nördlich der Panzerwiese, die durch einen natürlichen Eichen-Kiefernwald, dem Hartelholz, von der Gemeinde Oberschleißheim getrennt ist. Dieser Waldsaum, der sich aus dem ursprünglichen Heidestandort entwickelt hat, aber immer mehr zur Fichtenmonokultur umgewandelt wird, grenzt die Heide gegen Norden optisch von der Autobahn A99 ab.
Im Hartelholz
Das Hartelholz ist durch zahlreiche Wege durchzogen und man kann sich leicht verirren. Um zum Steg über die A99 zu geraten, geht man am besten den Weg direkt vom Parkplatz in Richtung Norden.
Weg im Hartelholz nach Norden
Das Hartelholz zu durchwandern wäre freilich auch eine Alternative. An Trockenheit und Wärme gut angepasst beherbergt es neben Eichen und Kiefern auch viele seltene Pflanzenarten im Unterwuchs. Eine Empfehlung für einen Frühlingsspaziergang! Selbst in dieser Jahreszeit, in der die Laubbäume kahl sind, schützt die Dichte des Waldes vom Verkehrslärm der Autobahn.
Steg über die A99
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Kaum habe ich die Autobahn überquert, schon öffnet sich wieder die Landschaft. Schneeflächen und Himmel beherrschen das Bild. Ich kann mich kaum sattsehen. Eine schnurgerade Straße, die Münchner Allee, führt – es sind etwa zweieinhalb Kilometer – zum Schloss Schleißheim. Bis dorthin beherrscht eine große Freifläche den Blick. Früher waren auch hier Wälder, sie wurden aber gerodet und das Areal wird teilweise landwirtschaftlich genutzt. Rechts von der Münchner Allee und nördlich des kleinen Weilers Hochmutting befindet sich ein artenreiches Magerwiesengebiet, ein Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen.
Die Münchner Allee
Nach etwa einem halben Kilometer zweigt eine von Birken gesäumte Straße von der Allee ab, um zu einem kleinen Kirchlein mit angeschlossenem Friedhof zu führen, St. Jakobus in Hochmutting.
Birkenallee (Hochmutting)
Die Kapelle entstand einer Legende zu Folge im Jahr 964 aufgrund eines Gelübdes, das ein herzoglicher Lehnsmann in den Ungarnkriegen abgelegt hatte. Als älteste Bausubstanz der aktuellen Kirche wurden Mauern aus dem zwölften Jahrhundert ermittelt. Das heutige Bauwerk, wahrscheinlich ein Wiederaufbau nach der Zerstörung um 1042, ist damit deutlich älter als jedes Bauwerk in München.
St. Jakob in Hochmutting
Der Weiler besteht ausschließlich aus dem Kirchlein mit dem angeschlossenen Friedhof sowie dem ein paar Hundert Meter weiter im Norden gelegenen Gut Hochmutting, das früher vom Schloss Schleißheim aus verwaltet wurde. Heute wird es privat bewirtschaftet und betreibt biologische Landwirtschaft.
Das Erleben dieser schneebedeckten Weiten und der eisigen Kälte dieses Wintertags ist für mich ein sinnliches Erlebnis sondergleichen und nur einem (kleinen) „Schönheitsfehler“. Bei Fotografieren muss ich immer wieder die Handschuhe ein und ausziehen, wenn ich nicht möchte, dass meine Finger steif und gefühllos werden.
Die kristallklare Luft erweitert den Horizont. In Richtung Südost sind die rauchende Schlote des etwa acht km entfernten Heizkraftwerks Nord zu sehen, in Richtung Süden erkennt man die schlanke Silhouette des Olympiaturms (sieben km).
Winterliche Weiten
Kurz vor meinem Ziel – man sieht bereits die Schlossmauer – lässt ein kleiner Hügel die Aussicht noch atemberaubender erscheinen. An dem eher flachen Nordhang desselben erfreuen sich hingegen Scharen von Kindern unter den wachsamen Augen ihrer Eltern an einer Rodelpartie.
Auf dem Aussichtshügel
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Die Schlossanlage in Schleißheim gehört zu den schönsten Sehenswürdigkeiten im Münchner Umland. Gegen die bekanntere Schlossanlage Nymphenburg kann sie in der Besuchergunst zwar nicht antreten, darin liegt aber auch ein Teil ihres Charmes. Zum Vergleich: Schloss Nymphenburg hatte im Jahr 2018 die stolze Zahl von 335.000 Besuchern. Schloss Schleißheim besuchten im selben Zeitraum 50.000 Personen. Was allerdings die (nicht messbare) Anzahl der Besucher der jeweiligen Parkanlagen betrifft (Erholung suchender Spaziergänger) ist das Verhältnis vermutlich wegen der Stadtlage des Nymphenburger Schlossparks noch viel krasser. Freilich ist auch die Anlage in Oberschleißheim an Sommerwochenenden überlaufen.
Das Neue Schloss Schleißheim
Zur Anlage zählen das Alte Schloss Schleißheim, das Neue Schloss Schleißheim und das Schloss Lustheim. Die barocken Schlösser entstanden im 17. und 18. Jahrhundert. Zusammen mit dem Schloss Nymphenburg gehört die Schlossanlage zu den größten Residenzen Bayerns.
Das Alte Schloss Schleißheim (1598) geht auf ein Herrenhaus des Herzogs Wilhelm V. (1548-1626) zurück. Auf den übrigens auch die Michaelskirche und das Hofbräuhaus in München zurückgehen.
Das Neue Schloss Schleißheim sollte auf Wunsch des Wittelsbacher Kurfürsten Max II Emanuel (1662-1726/ ab 1679 Kurfürst von Bayern) nach dem Vorbild von Versailles gestaltet werden. Der bayerische Herzog machte sich an der Wende zum 18. Jahrhundert Hoffnungen auf die Kaiserwürde und versuchte deshalb, seinen Status mit einem Residenzbau nach französischem Vorbild zu unterstreichen. Doch Krieg, Geldnot und ein Bauunglück ließen die Pläne schrumpfen. Dennoch zählt das Neue Schloss Schleißheim zu den schönsten Schlössern Bayerns. Die weitläufige Parkanlage gehört zu den bedeutendsten europäischen Barockgärten.
Das Neue Schloss Schleißheim
Das Neue Schloss ist mit vielen prunkvollen Räumen ausgestattet, in denen eine Gemäldesammlung mit bedeutenden Werken der europäischen Barockmalerei gezeigt wird. Ein virtueller Rundgang vermittelt einen Eindruck davon. Es würde den Rahmen dieser Webseite sprengen, tiefgehende Informationen über die Geschichte und die Architektur der Schlossanlage zu liefern. Das finden Sie auf Wikipedia und der Informationsseite der Bayerischen Schlösserverwaltung.
Ausschnitt der Fassade
Östlich des Hauptgebäudes liegt – derzeit unter einer geschlossenen Schneedecke – der größte Teil der barocken Gartenanlage mit Parterre, Springbrunen und Wasserachse. Auf dem zugefrorenen Mittelkanal jagen ein paar jugendliche Eishockeyspieler den Puck über das Eis. An anderer Stelle gleiten Schlittschuhläufer, manche schnell und sicher, andere zögerlich auf der robusten und glatten Eisfläche. Brueghels Winterbilder lassen grüßen.
Hockeyspieler auf dem Mittelkanal
Am östlichen Ende des Kanals gabelt sich dieser und wird zu einem Ringkanal; dieser bildet eine kleine Insel, in der das kleine Schloss Lustheim liegt. Mit zwei symmetrisch gelegenen Seitenpavillons bildet Lustheim innerhalb des Ringkanals eine eigene Einheit.
Am östlichen Ende des Mittelkanals
Schloss Lustheim, das Max II Emanuel anlässlich seiner Hochzeit als festliches Gartenpalais errichten ließ, ist ein Juwel mit intimer Ausstrahlung. Ihm fehlt völlig der Macht und Pracht ausstrahlende Charakter des Neuen Schlosses. Wertvolle barocke Deckenfresken bereichern seine Räumlichkeiten und es beherbergt heute eine beeindruckende Sammlung von Meißner Porzellan. Ein virtueller Rundgang vermittelt einen Eindruck davon.
Schloss Lustheim (von Westen)
Ich erlebe diese „Insel“ unter Voraussetzungen, die an Zauber grenzen: Die kristallklare Luft, die geschlossene Schneedecke, die unter den länger werdenden Schatten zunehmend blaue Töne annimmt, die Sonnenstrahlen des späten Nachmittags, die im Kontrast dazu das Schlösschen und die Baumstämme noch kräftig aufleuchten lassen und vor allem die eisige Kälte, sie versetzen mich in einen Zustand von gelassener Heiterkeit.
Schloss Lustheim (von Süden)
Fast geisterhaft erscheint mir in dieser „Blauen-Stunde-Atmosphäre“ das direkt am Ringkanal gelegene Südliche Pavillon. Es soll früher als Wohnung für vier Eremiten gedient haben. Ein wahres Schmuckstück die Renatuskapelle. Hier eine Panorama-Ansicht des Interieurs.
Der Südliche Pavillon am Ringkanal
Es ist spät geworden. Die Sonne steht schon tief und setzt strahlende Lichtakzente auf die Silhouetten der Bäume. Meine Begeisterung hat mich von einer zur anderen Ecke des Parks geführt und die Zeit im Nu vergehen lassen. Eine Atmophäre, die mich an historisch und klimatisch „alte“ Zeiten denken lässt, hat mich in einen nahezu euphorischen Zustand versetzt. Vom Südosttor komme ich schließlich wieder ins Freie, um entlang der Hochmuttinger Straße eilenden Schrittes wieder zurück zur Panzerwiese zu gehen.